Le postillon de Lonjumeau” by Adolphe Adam libretto (German)

Personen

Chapelou, Postillon, später unter dem Namen St. Phar Opernsänger (Tenor)
Madeleine, Wirtin, später Frau von Latour (Sopran)
Bijou, Schmied, später als Alcindor Chorist an der Oper (Bass)
Marquis de Corcy, königlicher Kammerherr (Bariton)
Bourdon, Chorsänger (Bass)
Rose, Kammerzofe der Frau von Latour (Sprechrolle)

ERSTER AUFZUG

Nr. 1 - Introduktion

DORFBEWOHNER
Welches Glück, welche Freude,
endlich vereint zu seh’n
Chapelou und Madeleine!
Erfüllt hat sich ihr Streben,
zu zweit fortan zu leben.
Nun mag die Liebe geben,
was lange sie ersehnt.
Man kann in unsern Tagen
das Leben leichter tragen,
ein wenig Glück erjagen,
wenn innig man sich liebt,
Erfüllt hat sich ihr Streben,
zu zweit fortan zu leben.
Nun mag die Liebe geben,
was lange sie ersehnt,
das Glück, das sie so lang' ersehnt.

CHAPELOU
Welch ein Glückstag ist das heute,
Madeleine ist nun mein!
Jetzt zum Tanze, liebe Leute....

MADELEINE
... laden alle wir euch ein.

CHAPELOU
Schnell bringet Wein her,
vom allerbesten!

MADELEINE
Seht, was der kann!

CHAPELOU
Auf unser Glück stosst mit uns an!

MADELEINE, CHAPELOU
Erfüllt ist unser Streben,
zu zweit fortan zu leben,
die Liebe wird uns geben.
was lange wir ersehnt.
Ein wenig Glück erjagen,
das Leben leichter tragen,
kann man in unsren Tagen,
wenn innig man sich liebt.

CHAPELOU
Auf unsre Liebe!

MADELEINE
Stoss mit mir an!

MADELEINE, CHAPELOU
Dass nie das Glück
uns schwinden kann!

DORFBEWOHNER
Erfüllt hat sich ihr Streben, etc.

CHAPELOU
zu Madeleine
Heut' nacht an meiner Seite
beginnt die schönste Zeit!

MADELEINE
Liebster,'s ist wahr, noch heute
winkt mir die Seligkeit.

DORFBEWOHNER
O seht die Zärtlichkeit!

MADELEINE
Bald ist es Nacht,
Liebe erwacht.

CHAPELOU
Wie dieser Kuss
Glücklich mich macht.
O Madeleine!

MADELEINE
Sei nur schön brav,
hab'noch Geduld!

CHAPELOU
Muss denn das sein?

MADELEINE
Warte nur bald,
bald bin ich dein!
Dein für alle Zeit,
bin ich stets bereit,
Liebe dir zu geben
ür das ganze Leben.
Dich allein lieb'ich vor allen,
dir allein will ich stets gefallen!
Alle andern Männer,
selbst verwöhnte Kenner,
soll'n umsonst nun flehen,
will sie nicht mehr sehen,
denn ich habe schon
einen Postillon,
den ich liebe mehr als mich selbst.
Doch mein Lieber, lass dir sagen,
wirst du mich betrügen,
zahle ich dir's heim.
Andern Frauen nachzujagen,
darf dich nicht vergnügen,
lass es lieber sein!
Ist auch aus der Mode
Treue bis zum Tode,
mir ist'seinerlei,
und ich sag' dir aufs Neu':
Dein für alle Zeit, etc.
Ja, dir allein
will immer treu ich sein.

CHAPELOU
Nun zum Tanz, liebe Leute,
nur die Freude herrsche heute.

MADELEINE
Da, hört, es ruft zum Ball
der Flöten heller Schall!

DORFBEWOHNER
Nun zum Tanze, kommt, ihr Leute,
nur Freude herrsche heute;
ihr hört, es ruft zum Ball
der Flöten heller Schall.

DIE MÄDCHEN
zu Chapelou
Zum Kontertanz, ich bitte!

DIE BURSCHEN
zu Madeleine
Geh'n Sie in unsrer Mitte!

MADELEINE
Ich danke, meine Herrn!

CHAPELOU
Danke, Mesdames, wie Sie mich ehren:
Doch bitt' ich euch, geht schon hinein!
Sicher wollt ihr mir nicht verwehren
einen Moment mit ihr allein zu sein,
mit meiner Frau ein Wort zu reden
elnen Moment mit ihr allein zu sein;
drum geht!

MADELEINE
Schnell, ihr Herrn,
führt die Damen schon zum ersten
Tanz voran.
Mädchen hört,
jede findet beim Tanze einen Mann!

DORFBEWOHNER
Zum Tanze, wo man herrlich
sich amüsieren kann!
Hört, jedes Mädchen findet
beim Tanze einen Mann!

Nr. 2 - Duett

MADELEINE
Ja, ja, auch ich!
man glaubt es kaum:
Nein, dieser Spass ist kaum zusagen!

CHAPELOU
Ei was, auch du?
Man glaubt es kaum:
Nein, dieser Spass ist kaum zu sagen!

MADELEINE
Nun erzähle, was auf dein Fragen
die Zauberin dir prophezeit,
o sag, was sie dir prophezeit!

CHAPELOU
Ja, gewiss, hör nur zu,
was sie sprach, war gescheit.
Erst plagte sie sich mit Gesichten,
dann las sie lang in meiner Hand;
und danach wusst' sie zu berichten,
ich sei schön und galant.

MADELEINE
Und galant?

CHAPELOU
Und galant.
Ja, und nie würde ich belogen,
ich wär' dazu doch viel zu schlau;
ich würde drum auch nie betrogen
von meinem Mädchen, von meiner Frau.
MADELEINE
Von deiner Frau?

CHAPELOU
Von meiner Frau.

MADELEINE
Bestimmt?

CHAPELOU
Bestimmt!

MADELEINE
Deine Hexe scheint mir nicht ganz richtig,
ich sag', sie übertreibt infam!

CHAPELOU
Nein, nein, ihr Spruch ist sehr gewichtig,
alles stimmt ganz genau,
was aus ihrem Munde kam!

MADELEINE
Na schön, was krächzte denn dein Rabe
von unsrer Ehe? Fahre fort!

CHAPELOU
Es wär' verkehrt, wenn ich vergrabe
mein Talent an diesem kleinen Ort.

MADELEINE
Das ist abscheulich, ja, abscheulich,
den Hals dreh' ich ihr um!

CHAPELOU
Weiter sagte sie, dass in der Ferne
mich erwartete viel Glück und Ehr'.
Vielleicht käm bald ich, ganz gut und gerne,
nach Paris als Grandseigneur.

MADELEINE
Grandseigneur?

CHAPELOU
Grandseigneur!
Um nun offen hier zu sprechen:
Sie hat gesagt, dass ich dich nähme,
sei…

MADELEINE
Sei was?
CHAPELOU
Das sag ich lieber nicht.

MADELEINE
Los, sprich!

CHAPELOU
... sei ein Fehler und würd' sich rächen.

MADELEINE
Was sagst du?
Na warte, das ist ja gemein!
Dieser Alten bläue ich es ein!

CHAPELOU
Ich bitte dich, sei nicht so bös,
die Frau ist wirklich sehr seriös,
es ist nicht recht, wenn man sie schilt,
weil ihr Bemüh'n der Zukunft gilt!

MADELEINE
Ha, das ist 'ne Frechheit,
Bosheit, Unverschämtheit,
ja, und ihre Dummheit
treibe ich ihr aus!
So was müsst' verderben
und im Spinnhaus sterben;
ihr das Fell vergerben
sollt' man jeden Tag!

CHAPELOU
Kann voraus sie sehen,
was mir wird geschehen,
das ist kein Vergehen,
das man strafen mag.
Grundlos ist dein Toben,
muss man es nicht loben,
wenn sie nur die Wahrheit sagen mag?
Aber nun ist's an mir zu fragen,
welche Auskunft dir vom Schäfer ward;
von dem Geheimnis sollst du sagen,
von der Zukunft, die er offenbart.
Nun geschwind, erzähle mir,
was dir das Schicksal hat bewahrt.

MADELEINE
Er sagt, ich sollt' nicht meine Gaben
schenken dem jungen Postillon:
s'wären Bessere noch zu haben;
vielleicht bekäm' ich einen Baron.
CHAPELOU
Einen Baron?
MADELEINE
Einen Baron!

CHAPELOU
Baron?

MADELEINE
Baron!

CHAPELOU
Dieser Schäfer scheint mir nicht ganz richtig,
denn er übertreibt infam.

MADELEINE
Nein, nein, sein Spruch ist sehr gewichtig,
alles stimmt ganz genau,
was aus seinem Munde kam!
Er behauptet auch noch, dass dein Wesen
nicht taugt für ein Leben zu zweit;
du könntest, ohn' vieles Federlesen,
verlassen, die dir sich hat geweiht;
und ausserdem seist eitel du
und auch noch ehrgeizig dazu!

CHAPELOU
Und ausserdem sei eitel ich...

MADELEINE
Ja, und der Ehrgeiz plage dich!
Kurz, um nun offen mit dir zu reden,
er hat gesagt, es sei verfehlt,
dass ich...

CHAPELOU
Nun was?

MADELEINE
Nein, frag' mich lieber nicht!

CHAPELOU
Also los!

MADELEINE
Dass ich dich...

CHAPELOU
Na was?
MADELEINE
... mir zum Mann erwählt!

CHAPELOU
Na warte, das ist ja gemein!
Diesem Schäfer bläue ich es ein!

MADELEINE
Ich bitte dich, sei nicht so bös,
der Mann ist wirklich sehr seriös,
es ist nicht recht, wenn man ihn schilt,
weil sein Bemüh'n der Zukunft gilt!

CHAPELOU
Ha. das ist 'ne Frechheit,
Bosheit, Unverschämtheit!
Ja, und seine Dummheit
treibe ich ihm aus!
So was müsst' verderben
und im Zuchthaus sterben;
ihm das Fell vergerben
sollt' man jeden Tag!

MADELEINE
Kann voraus er sehen,
was mir wird geschehen,
das ist kein Vergehen,
das man strafen mag.
Grundlos ist dein Toben,
muss man es nicht loben,
wenn er nur die Wahrheit sagen mag?
Chapelou! Sag mal,
glaubst an Wahrsager du?

CHAPELOU
Ich? Nein, ich glaub' nicht mehr daran als du!

MADELEINE
Von heut' ab soll für uns
die Sonne immer scheinen,
und immer lieb' ich dich,
nur dich, das schwör ich dir!

CHAPELOU
Ich gehe niemals mehr
zu Hexen im Geheimen,
doch alle Zärtlichkeit
der Liebe schenk ich Dir!

MADELEINE, CHAPELOU
Wie uns die Zukunft lacht,
zu trennen uns hat nichts die Macht!
Wir fürchten nichts mehr auf der Welt,
wir leben so, wie's uns gefällt,
und Wahrsagem bringen wir
niemals mehr Geld,
ein Schelm, wer diesen Schwur
(dies Versprechen) nicht hält.

Nr. 3 - Ensemble und Postillonlied

DORFBEWOHNER
Jetzt, junges Paar,
schlägt für euch die schönste Stunde,
da eurem Bunde die Erfüllung endlich winkt.

CHAPELOU
Meine Freunde, lasst Dank euch sagen,
aber leider ist es schon spät!
Drum darf euch zu bitten ich wagen,
dass jetzt nach Haus ihr alle geht.

BURSCHEN
Ja, wir geh'n, es ist spät.

BRAUTJUNGFERN
Nein, auf eines noch müssen wir dringen,
eh' nach Haus' wir geh'n, habt wohl acht:
Dass die Braut zu Bett wir bringen!
So ist's Brauch, dann gut' Nacht.

CHAPELOU
Wie ihr wollt!

BRAUTJUNGFERN
Nein, es heischt die Sitte....

CHAPELOU
Nun was?

BRAUTJUNGFERN
... die Braut begleiten wir allein.

CHAPELOU
Der Teufel hol' mich, wenn ich's litte!

BRAUTJUNFERN
Ihr Burschen nehmt ihn in die Mitte,
gebt gut auf ihn acht,
lasst ihn nicht mit hinein!

DORFBEWOHNER
Gebt acht, lasst ihn ja nicht hinein,
gebt gut acht!

CHAPELOU
Ich will zu meiner Frau Madeleine!

BURSCHEN
Das gibt es nicht, bleib nur schön hier!

CHAPELOU
Lasst los, sonst werd' ich zur Hyäne!

BURSCHEN
Uns ist es recht, wir helfen dir!

CHAPELOU
Es gibt 'ne fürchterliche Szene!

BURSCHEN
Ganz wie du willst, nur bleib schön hier!
So recht, geh lieber nicht aufs Ganze,
sicher kommst du uns nicht davon.
Wie wär's, sing uns doch die Romanze
vom jungen galanten Postillon.

CHAPELOU
Ich mag nicht mehr, ich will hinein,
es ist schon spät, lasst mich allein.

BURSCHEN
Singe; danach darfst du dann hinein.

CHAPELOU
Ist das auch wahr?

BURSCHEN
So soll es sein,
danach darfst du hinein.

CHAPELOU
Nun gut, mag es sein, ich beginne.

Freunde. vernehmet die Geschichte
von einem jungen Postillon!
Glaubt mir, dass ich euch nichts erdichte,
jedermann hier weiss ja davon.
Hörte man nur sein Horn erklingen,
liefen die Mädchen schnell herbei;
fing er dann gar noch an zu singen,
brach manches Herzchen schier entzwei.
Ho, ho, ho, ho,
so schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau.

DORFBEWOHNER
Ho, schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!

CHAPELOU
Damen aus allerbesten Kreisen
liessen den eignen Wagen steh'n,
nahmen die Post für ihre Reisen,
nur um mit ihm die Welt zu sehn.
Nicht nur geschwind ist er gefahren,
war auch zu jedem Dienst bereit,
manch feine Dame sprach nach Jahren
von dieser Fahrt noch hocherfreut.
Ho, ho, ho, ho,
so schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau.

DORFBEWOHNER
Ho, schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!

MARQUIS
Dies Organ! Wie berückend!
Das klingt ja ganz entzückend!
Hierher mein Stern mich wies:
Der Tenor für Paris!

CHAPELOU
An einem Abend ist's geschehen,
dass eine Schöne ihn entführt.
Er ward hinfort nicht mehr gesehen,
hat man auch gründlich nachgespürt,
Später erfuhr man, dass die Dame
ihm ihre Hand gereicht zum Lohn.
Nun ziert ein hochberühmter Name
unsern galanten Postillon!
Ho,ho,ho,ho,
so schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau.

DORFBEWOHNER
Ho, schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!
Der Herr darf nun ins Haus hinein,
Madame erwartet ihn allein.
Wir wünschen, was euch glücklich macht,
dem schönen Tag folgt süsse Nacht.
Jetzt, junges Paar, schlägt für euch
die schönste Stunde,
da eurem Bunde Erfüllung endlich winkt!

Nr. 4 - Terzett und Finale

MARQUIS
In meine Pläne wirst du dich fügen,
ich will es so,
gehorche jetzt und komm mit mir!

CHAPELOU
Nein, nein, Madeleine so zu betrügen,
daraus wird nichts,
ich bleibe hier!

MARQUIS
Du wirst dich meinem Willen beugen!

CHAPELOU
Nein, daraus wird nichts,
ich bleibe hier.

MARQUIS
Jetzt schweig, sei still!
Dein Sträuben wirst du lassen,
deine Frau zerstört dir dein Glück!

CHAPELOU
Madeleine wird mich hassen!
Sie liebt mich heiss, teilt mein Geschick.

MARQUIS
Mein Gott, du wirst nicht gleich dran sterben,
und bald bist du schon wieder hier!
Komm!

CHAPELOU
Handelt so, Herr, ein Kavalier?
Vielleicht demnächst,
wie wär's denn nächste Woche,
ja, nächste Woche. vielleicht auch schon morgen?

MARQUIS
Nein, sofort kommst du mit,
es ist deine Pflicht!
Nein, diese Stimme lass' ich nicht,
die schöne Stimme lass ich nicht.

CHAPELOU
Wie nach ihr ich mich sehne!
Heute kann ich nicht fort,
sie verlassen. Meine Madeleine,
liebend erwartet sie mich dort.

MARQUIS
Du wirst es erleben,
wie dich mein Streben
hoch wird erheben,
glücklich dich macht.
Du wirst seh'n, dass Frauen
voll Lust auf dich schauen,
dir blindlings vertrauen
bei Tag und bei Nacht.
Wie froh die Zukunft sich dir neigt,
verspricht dir Geld und Abenteuer.
Auch in der Liebe siegst du leicht,
verführst die Frau'n mit deinem Feuer.

CHAPELOU
So meinen Ehrgeiz anzuschüren,
muss mich endlich doch verführen,
hört doch auf, ich bitte sehr,
nicht lange widersteh' ich mehr!

MARQUIS
Nun, dann komm!

CHAPELOU
Morgen!

MARQUIS
Nein, jetzt sogleich!

CHAPELOU
Nein, nein, morgen!

MARQUIS
Nein, jetzt sogleich!

CHAPELOU
Was soll ich tun?
Wie nach ihr ich mich sehne!
Heute kann ich nicht fort,
sie verlassen. Meine Madeleine,
liebend erwartet sie mich dort.

MARQUIS
Ja, du wirst es erleben,
wie dich mein Streben hoch wird erheben,
glücklich dich macht.
Du wirst seh'n, dass Frauen
voll Lust auf dich schauen,
dir blindlings vertrauen,
ja, bei Tag und Nacht.
Ja, du wirst es erleben,
dass das Glück dir lacht!

CHAPELOU
Werd' ich es erleben,
dass mich sein Streben
hoch wird erheben,
glücklich mich macht?
Ja, ich werd' es erleben,
dass das Glück mir lacht!

BIJOU
Herr, ich bin fertig mit dem Rade.

MARQUIS
Sehr gut, sehr gut!
Mach' doch schnell!
Um jeden Augenblick ist's schade,
lass uns geh'n, denn es ist schon spät.
Schon morgen....

CHAPELOU
Was?

MARQUIS
... wenn gut alles geht,
stehst du vor Seiner Majestät!

CHAPELOU
Wieso,vor wem?

MARQUIS
Vor Seiner Majestät!

CHAPELOU
Majestät?

BIJOU
Du sollst zu Seiner Majestät?

CHAPELOU
Ja doch, mein Lieber, zur Majestät,
ich werde sicher noch berühmt,
wie das so geht!
BIJOU
Erkläre mir, was hier geschehen,
den König sollst du wirkl ich sehen?

CHAPELOU
Dort, der Herr, hört' eben mich singen,
will mich nach Paris nun bringen.

BIJOU
Nein, so was von Glück ist unglaublich!
Stimme hab' auch ich;
wenn er sie hört,
wird er von ihrem Glanz betört.
Tralala!

MARQUIS
Was ist denn das?
Was will der Kerl?
Hör doch auf!
Sei doch still!
Ist er krank, dieser Kerl?
Hör auf!
zu Chapelou
Komm mit!

BIJOU
Wie, du willst geh'n?
Madeleine wartet doch auf dich.

CHAPELOU
Sag'ihr, ich käme wieder sicherlich,
noch heut', nein morgen würd' sie
mich wiedersehen!

MARQUIS
Beeile dich, wir müssen geh'n!

BIJOU
Wie was, du willst jetzt geh'n'!?

CHAPELOU
Schon gut, ich werde geh'n!
Halt, nicht so laut!
Ja, ich will geh'n, doch nicht so laut,
wenn sie es hört, so ist 's gescheh'n!
Leise, dass Madeleine nichts hört,
denn wenn sie was merkte, wär' sie empört,
dass ich am ersten Tag uns'rer Eh'
in die Fremde geh'!
Doch werd' ich mit Ehren
zurück zu ihr kehren,
wird sie mir sicherlich verzeih'n.
Sie braucht nicht zu hören,
wenn Frau'n mich betören,
nicht heiss macht sie, was sie nicht weiss!
Drum Vorsicht, dass Madeleine nichts hört,
denn wenn sie was merkte, wär' sie empört,
dass gleich am ersten Tag uns'rer Eh'
in die Fremde ich schon geh'!
Leb' wohl, mach's gut, ich muss jetzt geh'n,
mach's gut, denn wir müssen jetzt geh'n!
Nun grüss Madeleine! Auf Wiederseh'n!

MARQUIS
Bald wirst du mit Ehren
zurück zu ihr kehren,
und sie wird dir sicherlich verzeih'n.
Sie braucht nicht zu hören,
wenn Frau'n dich betören,
nicht heiss macht sie, was sie nicht weiss.
Ja, du wirst nun erleben,
wie hoch dich mein Streben
zum Ruhm wird erheben
und glücklich dich macht.
Du wirst seh'n, dass die Frauen
voll Lust auf dich schauen,
dir blindlings vertrauen
bei Tag und bei Nacht;
ja, du wirst schon bald erleben,
dass Glück, ja, dass Glück dir lacht.
Nun komm nur schnell und lass uns geh'n,
ja komm, denn wir müssen jetzt geh'n.
Nur schnell, komm mit! Lass ihn doch geh’n

BIJOU
Nie wird er mit Ehren
zurück zu ihr kehren,
und sie wird ihm sicherlich niemals verzeih'n.
Gewiss wird sie hören.
dass Frau'n ihn betören,
dann macht sie die Hölle ihm
fürchterlich heiss.
Doch wird er erleben,
dass hoch ihn sein Strebe
zum Ruhm wird erheben
und glücklich ihn macht?
Wohl werden die Frauen
voll Lust auf ihn schauen,
ihm blindlings vertrauen
bei Tag und bei Nacht;
ja, er wird es erleben,
dass Glück, ja, dass Glück ihm lacht.
Madeleine, sie wird vor Schmerz vergeh'n.
Es gibt ein Unglück, wirst es seh'n!

Chapelou und Marquis ab
MADELEINE
Chapelou!
Komm, o komm zu mir, Geliebter,
ach, komm, umarme mich!
Komm doch, voll Sehnsucht harr' ich deiner,
komm zu mir, ich warte hier auf dich!
Komm doch! Wo mag er sein?
Komm doch! Bin so allein!
Chapelou! Chapelou!

BIJOU
Rufst du nach deinem Postillon?
Ich muss das Lachen mir verbeissen!
Da hinten fährt er dir davon!

MADELEINE
Davon? Wieso, was soll das heissen?

BIJOU
Man entführt deinen Herrn Gemahl!

MADELEINE
Man entführt...

BIJOU
Statt Hochzeitsnacht - Skandal!

MADELEINE
O Gott, man entführt meinen Mann!
Kommt zu Hilfe, ach zu Hilf'!

BIJOU
Ja, ruf die Leute nur heran!
Glaub' nicht, dass man ihn halten kann!

DORFBEWOHNER
Woher kam dieser Lärm,
dies Geschrei, dieses Toben?
Wer hat uns um den Schlaf gebracht?
Das junge Ehepaar dort oben
streitet in der Hochzeitsnacht.
Am Morgen Treue sich geloben
und sich streiten in der Nacht!
Nein. so etwas kann man nicht loben,
schlimm ist's, wenn man solchen Anfang macht!
Sie streiten in der Hochzeitsnacht!

MADELEINE
Ach, mein Mann,
schafft ihn mir doch heran!
Ganz bestimmt wird er wieder kommen!

BIJOU
Er ist schon fort,
das geht nicht an!
Ach wo, ach wo!
Hört nur, was ich vernommen:
Er geht als Sänger nach Paris,
berühmt wird er dort, wie es hiess!

MADELEINE
O, wie gemein. kann man es fassen?
So treulos seine Frau verlassen!

BIJOU
Höret doch'.

MADELEINE
Und auch noch vor der Hochzeitsnacht,
das ist doch wahrlich Niedertracht.

BIJOU
Höret doch! Hört ihr ihn?

CHAPELOU
aus der Ferne
Ho, ho, ho, ho!
So schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!

BIJOU, DORFBEWOHNER
Gemein ist das, man kann's nicht fassen,
treulos seine Frau verlassen
mitten in derHochzeitsnacht!
Ja, das ist wahrlich Niedertracht!

MADELEINE
Wiegemein! Niedertracht!
Kann man's fassen?
Dieser Kerl geht davon!
O Niedertracht!
Treulos seine Frau verlassen
in der Hochzeitsnacht!
Da so mein Mann von mir sich wandte
und meine Liebe von sich wies,
geh' fort von hier ich zu meiner Tante
ins ferne Inselparadies.
In Einsamkeit will leben ich
da mich mein Mann verliess!

FRAUEN
So ein Kerl. man sollt' ihn fassen,
sollte Prügel ihm verpassen,
so ihm lohnen seine Missetat.
Wie gemein, man kann's nicht fassen. etc.

MÄNNER
Arme Madeleine!
Sich so betrogen hier zu seh'n!
O wie gemein, man kann's nicht fassen. etc.

BIJOU
Chapelou ist wirklich zu beneiden,
doch könnte es mir nicht genau so ergeh'n,
mir ganz genau so geh'n?
Morgen schon will von hier ich scheiden,
sicher wird auch mich man als Sänger bald seh'n!
Auch ich will singen,
will das Publikum bezwingen,
und vor Neid soll'n sie zerspringen,
wenn mein Geld sie hören klingen!
Ja, es wird gelingen ohne Müh'!
Ja, ich werde reisen morgen früh!

ZWEITER AUFZUG

Frau von Latours Landhaus bei Fontainebleau.
Zehn.Jahre später


Nr. 5: Vorspiel

Nr. 6: Arie

ST. PHAR
Frau von Latour heisst die Dame?
Welch ein Name!
Das klingt vornehm. reich und fein,
und schon bald soll sie die Meine sein!
Nicht die erste ist sie, die mich entflammt,
doch die erste. die blauem Blut entstammt!
Mein Wunsch wird endlich in Erfüllung gehen,
in ersten Kreisen mich zu sehen.
Ja, ein Sänger kann viel erreichen,
er ragt aus der Menge stolz hervor;
jedoch dem Adel sich vergleichen
kann gewiss nur ein Tenor.
Ich will dem Adel mich vergleichen,
darum nehme ich mir vor:
Diesmal wird adlig geliebt,
man lernt es so mit den Jahren,
dass es nichts Dümmeres gibt,
als mit Pöbel sich zu paaren.
Einst nahm ich mir eine Frau,
ganz hübsch, doch furchtbar simpel,
heute, da weiss ich genau:
Ich war ein arger Gimpel!

Nr. 7: Arie

ALCINDOR
Im Chor bin ich der erste Sänger,
alle sing' ich an die Wand!
Viel lauter kann ich und auch länger,
als man es je im Chore fand.
Die Wache naht,
da bin ich Soldat
und dien' dem Staat,
hab' Rat und Tat stets parat.
Ich singe gar nicht delikat,
denn als Soldat ist man rabiat
und singt n icht delikat.
Soll ich ein Lüftchen zärtlich säuseln
fliegt meine Stimme sanft und leicht;
muss dann als Fluss ich Wellen kräuseln,
dem Wasserfall die Stimme gleicht;
soll mit Gesang ich Nymphen reizen,
ist das für mich ein Kinderspiel;
und muss als Standbild ich mich spreizen,
ernt' ich Beifall mit meinem Stil.
Ich bin im Chor der erste Sänger,
die andern sing' ich an die Wand,
weil ich viel lauter kann und länger,
als man es je im Chore fand.
Ich sing' im Chor,
rag' stolz draus empor,
man ist ganz Ohr,
wenn mit Humor
ich trag vor,
denn der Humor ist mein Ressort.
Ich bin bekannt wie ein Tenor
und rage stolz hervor
aus dem Chor.

Nr. 8: Zwischenspiel

Nr. 9: Arie

FRAU VON LATOUR
Chapelou kommt hierher,
nach zehn Jahren der Trennung!
Warum noch lässt sein Name
mir das Herz schneller schlagen?
Liebe ist es wohl nicht mehr,
nein, der Wunsch, ihn zu bestrafen,
beseelt mich nur allein,
erregt mich, macht m ich froh.
Doch nein, nie kann ich hassen,
den noch immer ich liebe.
Das Glück wär' nicht zu fassen,
wenn bei mir er nun bliebe.
Wird er mich wohl erkennen?
Wird er für mich entbrennen
in Liebe aufs neu',
mir lohnen meine Treu’?
Wie wird er mich wohl nennen,
und wird er sich bekennen
zu mir aufs neu'?
Der Liebling aller Damen
weiss nicht meinen wahren Namen,
und mein Eifer soll nicht erlahmen,
Komödie zu spielen, genauso wie er.
Müsste ich mich nicht rächen,
weil er sein Versprechen
treulos mir konnte brechen?
Nein, trotz all'seiner Schwächen
ist mein Herz auf ewig sein!
Der Liebling aller Damen
weiss nicht meinen wahren Namen,
und mein Eifer soll nicht erlahmen,
Komödie zu spielen wie er.
Doch ein wenig zu erschrecken,
tut ihm gut, dem grossen Tenor,
nur darf er es nicht zuvor entdecken,
dass seine Frau zur Geliebten er erkor.
Er kommt zu mir, das Spiel beginnt.
Er soll mir büssen! Zu meinen Füssen
will ich noch heute den Treulosen seh'n.
Dann will mit Küssen ich ihn begrüssen.
Mein Gemahl! Wie fatal!
Der Liebling aller Damen, etc.

Nr. 10: Chor und Ensemble

CHOR
Nein. jetzt ist Schluss!
Wir geh'n daran zugrunde:
Immer Gesang von früh bis spät!
Nein, wir leben wie die Hunde,
unser Gebell macht uns
schon selbst verdreht!

ST. PHAR
Nein, heut' ist's wirklich ganz unmöglich,
schon jeden Abend singen wir.
Ein Stimmband ist nicht so beweglich,
am Ende reisst es wie Papier.

MARQUIS
Das ... das ist ja Revolution!

ALCINDOR
Die ganzen Herr'n der Oper, Sire,
vom Singen sind halbtot sie schier.

MARQUIS
Hochverrat!

ST. PHAR
Der junge Held ist gänzlich heiser,
die Heroine steckt er an.

ALCINDOR
Ihr Liebessang wird immer leiser,
im Parkett schläft jedermann.

ST. PHAR
Der Feldherr ruft: „Auf in die Schlacht",
und bei der "Schlacht" bricht ihrn der Ton.

ALCINDOR
Was Wunder. dass da alles lacht
und applaudiert, als wie zum Hohn'?

ST. PHAR, ALCINDOR, CHOR
Die Sänger in der Oper, Sire,
vom Singen sind halbtot sie schier,
und deshalb sagen wir Euch hier...

CHOR
Jetzt ist Schluss, wir geh'n daran zugrunde:
immer Gesang von früh bis spät!
Das bringt uns um! Ha. nur Gesang!

ST. PHAR
zu Alcindor
Recht gut, recht gut!
Die Burschen muss ich loben.
Unsre Revolte, sie gelingt.
Wär' es nicht dumm, jetzt hier zu proben,
wenn mir woanders Liebesfreude winkt?
Es könnte doch passieren,
dass während wir probieren,
die Dame wollt'risk- icren
mit mir ein Tête-à-tête.
Ich müsste doch verzagen,
wenn jetzt vielleicht ihr Wagen,
zu ihr mich hinzutragen,
vor meinem Hause steht!

MARQUIS
Ihr Kerls habt zu parieren,
wer meutert, wird bestraft.
Ich befehl's. und probieren
werdet ihr mit ganzer Kraft.

ST. PHAR
Lasst euch nicht droh'n,
wir schaffen's schon.
Macht nur genau, was ich gesagt,
tut so, als ob euch Husten plagt!
ALCINDOR
Macht nur genau, was er gesagt,
tut so, als ob euch Husten plagt,
ganz schrecklich plagt!

CHOR
Tut so als ob euch Husten plagt.

ST. PHAR
zum Marquis
Da sie befehlen, werd' ich also singen,
doch Sie sind schuld, wird die Arie misslingen.
mit sehr heiserer Stimme
"Von frühster Morgenröte …"
Da hör'n Sie selbst, es ist unmöglich!
Mein Stimmband schmerzt mich jetzt ganz eklig,
mein ganzer, Hals ist rot!

MARQUIS
Nicht doch, es geht schon 'mal zur Not.

ST. PHAR
Nein, es geht nicht!
So was kommt vor!

MARQUIS
für sich
's ist fürwahr ein grosser Tenor.
Na gut. dann nicht!
zu den Sängern
Jetzt singt der Chor.

ALCINDOR
Herr Intendant, es ist unmöglich,
es kann nicht sein, dass man probiert.
denn wir sind alle sehr indisponiert!

MARQUIS
Welch ein Malheur, was mach' ich nur?
Und wie sag' ich's Frau von Latour?

ST. PHAR
Sie sagten eben "Frau von Latour“?

MARQUIS
Sie ist die Herrin dieser Räume.

ST. PHAR
Hör' ich denn recht,
die Dame meiner Träume
wohnt hier in diesem Schloss?
Das ist wirklich famos!
Natürlich bleib' ich hier,
denn bald begegn' ich ihr.
Also los.jetzt probieren wir,
es gilt mein Glück!
Bleibt noch hier. denn bei mir....
hier ... ja, besser geht es mir!

MARQUIS
Wie, ist das wahr?

ST. PHAR
Soeben kommt die Stimme
mir ganz plötzlich zurück,
nun kann ich wieder singen.

ALCINDOR
Du wolltest doch gleich geh'n?

ST. PHAR
Ich denke nicht daran.
Hört mir nun zu, ich fange an.
Von frühster Morgenröte
klag' ich bei jedem Baum
auf meiner Hirtenflöte
mein Leid dem weiten Raum!
Komm, süsses Turteltäubchen,
dein Tauber rufet dich!
Sei doch mein liebes Weibchen!
Warum, ach, fliehst du mich?
Ich eil' so oft vergebens
ach dieser Wiese hier!
Das Ende meines Lebens,
ersehnet wär'es mir!
Komm. süsses Turteltäubchen,
dein Tauber rufet dich!
Sei doch mein liebes Weibchen!
Warum. ach, fliehst du mich?"

MARQUIS
Bravo! Sehr schön!
Das war superb, wie du gesungen,
du hast mein Werk so ganz durchdrungen!
zu den Sängern
Ihr habt getan nach meinem Willen,
ich will nun euren Durst euch stillen,
kommt mit, die Gläser lass' ich füllen.

ST. PHAR, CHOR
Die Gläser lässt er füllen!
ALCINDOR
Submissest danken wir dafür,
zu Ihren Diensten stehen wir!

ST. PHAR, ALCINDOR, MARQUIS
Die Gläser lasst füllen!
Der Stimme gibt der Wein
Schönheit und Stärke obendrein.

CHOR
Wer unsem Durst mit Wein trakliert,
dem sind wir treu ergeben.
dem rufen zu wir ungeniert:
Der Spender, er soll loben!
Wir danken für das Angebot
und werden uns nicht zieren!
Vielleicht sind morgen wir schon alle tot,
d'rum woll'n wir heut' uns amüsieren!
Jawohl, wir sind ihrn ganz ergeben,
der Herr Marquis soll leben!
Genau so gut wie jetzt der Wein
wird unser Singen später sein,
ja, das Konzert wird ganz grandios,
wenn Wein durch unsre Kehlen floss.
Die Gläser lasst füllen!
Der Stimme gibt der Wein
Schönheit und Stärke obendrein.

Nr. 11: Duett

ST. PHAR
Welch ein Zufall, Sie hier zu sehen,
welche Wonne, Ihnen zu gestehen,
dass mein Herz vor Liebe will vergehen,
seit ich Sie zum erstenmal erblickt.

FRAU VON LATOUR
Was soll ich ihm nur sagen,
ich weiss nicht ein, noch aus?

ST. PHAR
für sich
Die Frau wird mir behagen,
bezaubernd sieht sie aus.
laut
Ich will Sie lieben, Sie verehren,
lassen Sie mich Ihren Sklaven sein
zu Ihren Füssen will ich schwören,
dass ich liebe Sie allein!

FRAU VON LATOUR
Ach Erbarmen, hören Sie mein Flehen,
denn Ihr Charme verführt mich arme Frau.
Ich ertrag'es nicht, ich muss jetzt gehen,
denn was sonst geschieht, weiss ich genau!

ST. PHAR
Ob's mir gelingt, Sie zu verführen?
Heut'noch muss sie die Meine sein;
mit Raserei werd' ich sie rühren,
das Mittel wirkt ganz ungemein!
laut
Ich muss dem Wahnsinn noch verfallen!
Komm, küss mich und sei mein!

FRAU VON LATOUR
Nein, nein, ich kann nichts gewähren!

BEIDE
Wie ich in ihrer (seiner) Nähe
vor Sehnsucht fast vergehe,
wenn ich sie (ihn) vor mir sehe,
wie schlägt mir da mein Herz.

FRAU VON LATOUR
Doch erst soll er mir büssen,
doch dann will ich gnädig sein,
ihn lieben., ihm verzeih'n,
noch heute will ich verzeih'n.

ST. PHAR
für sich
Das Leben wird sie mir versüssen!
Die Liebe will ich geniessen,
heute noch wird sie sicher mein,
und die Liebe, ja, die Liebe
wird sicher gedeih'n.
laut
Wenn Sie mein Flehen nicht betört,
wenn meine Tränen Sie nicht rühren,
wenn mein Herz Sie wollen ruinieren,
töte ich mich hier mit meinem Schwert'

FRAU VON LATOUR
Bitte nicht, o Gott!
All die Damen, die Sie verehren,
würden in Trauer sich verzehren,
und das Theater machte bankrott!

ST. PHAR
So berühmt zu sein ist eine Not!
Da Kunst es mit gebeut,
verschieb' ich meinen Tod.
Sterben ist ja ohnedies
im Leben zu entbehren!
Die Liebe macht das Leben süss,
schenkt uns das Paradies.

FRAU VON LATOUR
Dieser Antrag ehrt mich sehr,
doch kommt er etwas plötzlich
und ausserdem hatt' ich bisher
mit Männern stets Malheur.
Diesmal ist umsonst Ihr Fleh'n,
ich müsste es bereuen!
Ein Unglück könnte sonst gescheh'n,
wie ich's schon mal geseh’n.

ST. PHAR
Lassen Sie mich so nicht geh'n,
Sie würden es bereuen!
Ein Unglück könnte sonst gescheh'n,
wie Sie 's noch nicht geseh'n.
Mein ganzes Leben will ich Ihnen weih'n!

FRAU VON LATOUR
Das ist sehr nett,
doch wie lang ist denn Ihr Leben'?

ST. PHAR
Sie können spotten über meine Pein?
Noch kein Mann war Ihnen so ergeben,
ich liebe Sie, Sie ganz allein,
hören Sie mich, Sie ganz allein!

FRAU VON LATOUR
Nein, solchen Schwüren trau' ich nie,
denn jeden Abend in der Oper hört man sie!
Nein, ich traue Ihnen nicht,
ich hab' es schon erfahren,
gar oft vergisst ein Mann die Pflicht,
hält nicht, was er verspricht.

ST. PHAR
Nein, was einmal ich gesagt,
das gilt für alle Zeiten,
und dass Sie noch ein Zweifel plagt,
macht mich schon ganz verzagt.
Lassen Sie mich so nicht geh’n, etc.

FRAU VON LATOUR
Diesmal ist umsonst Ihr Fleh'n. etc.

ST. PHAR
Komm doch, komm und sei mein!
Küsse mich, komm küss mich und sei mein!

FRAU VON LATOUR
Nein, es kann nicht sein,
mein Herr, es kann niemals sein.

Nr. 12: Ensemble

CHORSÄNGER
Dazu müssen wir gratulieren,
solche Heirat ist schon was wert.
Die schöne reiche Frau zu verführen,
ist eine Tat, die jeden ehrt!
ST. PHAR
Ich dank' euch sehr,
ich bin noch ganz benommen
von diesem Glück, das heut' ich überkommen.
Doch trotz Ruhm und Gewinn
huldvoll zu bleiben,
will ich mich bemüh'n.
Preisen sollt ihr alle
meinen neuen Stand,
stets sei mir willkommen
jeder Komödiant.
Küche steht und Keller
Offen jederzeit,
schöne Pächtersfrauen
sind für euch bereit.
Vornehmheit verpflichtet,
Reichtum noch viel mehr,
nur mit offnen Händen
wird man populär.

CHORSÄNGER
Hurra!
Küche steht und Keller
offen jederzeit,
schöne Pächtersfrauen
sind für uns bereit.
Preisen woll'n wir alle
seinen neuen Stand,
stets ist ihm willkommen
jeder Komödiant.
Adel verpflichtet
und Reichtum noch mehr,
mit offenen Händen
wird er populär'
Ja, Küch’ und Keller steh’n uns
offen jederzeit
und schöne Frauen sind immer
zur Liebe bereit.
Ein Hoch unserm Freund!

ST. PHAR
Frau von Latour kommt, seid galant,
und benehmt euch wie Männer von Stand.

CHORSÄNGER
Schönste Frau, wir erstaunen,
dass 'nen Sänger Sie nehmen zum Mann.
Ja, fürwahr, das sind Launen,
ganz charmant, beinah wie im Roman!

ST. PHAR
Freunde, hört, seid galant,
benehmt wie Männer euch von Stand!

CHORSÄNGERINNEN
Er erscheint echt manierlich,
und als Sänger ist er ja brillant,
seine Haltung ist zierlich,
hoffentlich hat er auch noch Verstand!

MARQUIS
Der Kaplan, Madame, ist bereit,
er wartet schon in der Kapelle.

ST. PHAR
für sich
Bijou ist schon wieder zur Stelle?

MARQUIS
zu Frau von Latour
Darf ich bitten jetzt um Ihre schöne Hand?
Denn schon bald bin ich Ihr Gemahl!

FRAU VON LATOUR
Hiermit mache ich Sie nun bekannt
mit ihm, dem Manne meiner Wahl:

ST. PHAR
für sich
Ganz recht, ’s ist Zeit
Ich bin bereit.

MARQUIS
Ganz recht, ich bin bereit.
Mein Gott, wie ist sie doch charmant.

FRAU VON LATOUR
Der mich führt zum Altar,
meine Freunde, es ist Herr Saint Phar.

ST. PHAR
Der Kerl? Wie grässlich und gemein!

ST. PHAR
für sich
Ja. Herr Saint Phar wird bald adlig sein!

ALLE GÄSTE
Wir gratulieren dem Paar,
wir wünschen Glück immerdar!
heimlich
Und vielleicht gar in einem Jahr
sind sie zur Scheidung
schon beim Notar.

FRAU VON LATOUR
Bald, lieber Freund, zahlst du meine Pein!
Da ruft die Glocke uns zur Kapelle,
hoffentlich gelingt’s, dass ich mich verstelle.

ST. PHAR
Nun lasst uns gehn!

Nr. 13: Chor

HOCHZEITSGÄSTE
Geniesset nun die Ehefreuden ganz ohne Gefahr.
Heut' nacht soll keine Stunde läuten
dem liebenden Paar.
Wir wünschen Ihnen wohl zu ruh'n,

FRAU VON LATOUR
Meine Freunde, lasst mich euch danken!
Herr Saint Phar
liebt heiss und innig mich fürwahr.

ST. PHAR
Meine Treue wird niemals wanken!
Sie alIein soll Herrin meines Herzens sein!

FRAU VON LATOUR
Gute Nacht!

ST. PHAR
Gute Nacht!

HOCHZEITSGÄSTE
Gute Nacht!

DRITTER AUFZUG

Nr. 14: Terzett

ALCINDOR, BOURDON
Gehenkt, gehenkt, gehenkt!

ST. PHAR
Hört doch auf! Was ist los?
Saget mir, wen man hängt!
Gehenkt?
Seid ihr krank, seid ihr toll,¨
oder seid ihr betrunken,
ihr Narren, so antwortet doch!
Gehenkt?
Wollt ihr endlich mir sagen,
was euch so sehr erschreckt?

ALCINDOR
Ach, wir müssen verzagen,
unsre Tat ist entdeckt!

ST. PHAR
Wie entdeckt?
Was geschah'?

ALCINDOR
Das hast du ausgeheckt!

ST. PHAR
Dein Verstand hat gelitten,
das ist wirklich kurios!

BOURDON
Nach den hiesigen Sitten
ist der Galgen mein Los!

ST. PHAR
Sag doch, warum?

BOURDON
Ahnst du denn nicht?

ST. PHAR
Frag nicht so dumm!

ALCINDOR
Uns droht Gericht!

ST. PHAR
Seid ihr denn stumm?

BOURDON
Frag lieber nicht!

ST. PHAR
So sagt mir doch. was euch bedrängt!

ALCINDOR, BOURDON
Gehenkt, gehenkt, gehenkt!

ST. PHAR
Hört doch auf, was ist los,
saget mir. weit man hängt!
Gehenkt?
Seid ihr krank, seid ihr toll,
oder seid ihr betrunken,
ihr Narren, so antwortet doch!
Gehenkt!

ALCINDOR, BOURDON
Dieser Teufelsmarquis,
das vergess' ich ihm nie!
Wollte grossmütig sein,
schloss uns beide dort ein.

ST. PHAR
Er schloss euch ein?

BOURDON
Schnell, lass uns gehen!

ST. PHAR
Aber warurn?

ALCINDOR
Sonst ist's geschehen!

ST. PHAR
Sagt mir doch endlich,
wovor euch graut!

ALCINDOR
Weil ich am Galgen uns schon sehe!

BOURDON
Dich hat ein echter Priester getraut!

ALCINDOR
Zwei Frauen hast du nun,
und das ist Doppelehe!

ALLE DREI
Bigamie! Doppelehe!
Wehe!

ALCINDOR
Weisst du jetzt, was uns droht?

ST. PHAR
Ja. ich weiss!

BOURDON
's ist ein schrecklicher Tod!

ST. PHAR
Himmel, wenn man mich fängt,
dann werde ich...

ALCINDOR, BOURDON
Gehenkt, gehenkt, gehenkt!

ALCINDOR
Fürchterlich, wie dies Wort
schon den Hals mir verengt.
Gehenkt!
O wie schaurig das klingt,
beinah' stirbt man vor Angst,
wenn man denkt,
dass man würde gehenkt!
Lasset uns verschwinden,
ehe man uns fängt;
wenn sie uns hier finden,
werden wir gehenkt!
Nein, da will ich lieber
Schmied doch wieder sein,
als an einem Galgen
meine Tat bereu'n.

BOURDON
Lasset uns verschwinden,
ehe man uns fängt;
wenn sie uns hier finden,
werden wir gehenkt!

ST. PHAR
Ach, so jung schon zu sterben,
ist gar zu schwer,
ich kann nicht mehr!

ALCINDOR
Nun, so komm!

BOURDON
Komm nur schnell!

ST. PHAR
Nein, jetzt ist mir's egal.

ALCINDOR, BOURDON
Steh doch auf!

ST. PHAR
's ist umsonst! Kraftlos macht mich diese Qual.

ALCINDOR
Komm nur schnell! Wir helfen dir!

BOURDON
O komm zu dir!

ST. PHAR
Nein. lasst mich hier!
Mir ist es jetzt egal,
kraftlos macht mich die Qual.

ALCINDOR
Lass uns doch geh'n!
Nun ist es gut,
komm, lass uns geh'n!

BOURDON
Hör unser Fleh'n!

ALCINDOR, BOURDON
Man hängt dich auf
du wirst es seh'n!
Komm!

ST. PHAR
Gehenkt, gehenkt, gehenkt!

ALLE
Gehenkt!

Nr. 15: Duett und Finale

FRAU VON LATOUR
Das ist nicht wahr,
ich kann's nicht glauben,
sagen Sie, dass diese Frau dort lügt.
verstellt sich als Madeleine
Das soll er ja sich nicht erlauben.
der Kerl, der uns hier so betrügt!
als Frau von Latour
Heute morgen noch hat er geschworen,
dass er mich ganz allein nur liebt,
als Madeleine
Er müsste in der Hölle schmoren,
weil zwei Frau'n sein Wort er gibt,¨
denn vor zehn Jahren hat auch er mir geschworen,
dass er mich, ja, dass er mich alleine liebt.

ST. PHAR
Meine Damen, ach bitte hört mein Fleh'n!
Habt Erbarmen, sonst ist's um mich gescheh'n!
Lasst ihr von Eifersucht euch leiten,
so führt man morgen mich schon aufs Schaffott.
Zu euren Füssen schwör' ich euch beiden
ew'ge Treue bis in den Tod!
für sich
Ob mir's gelingt, Mitleid zu erwecken?
Was fang' ich an,
wenn sie nicht mal mein Tod berührt?
Könnt' ich mich doch
vor ihrer Wut verstecken,
dass man zum Galgen nicht
von hier hinweg mich führt!

FRAU VON LATOUR
für sich
Wie er sich müht, Mitleid zu wecken,
alles geht nach meinern Plan.
Rache ist süss. ihn zu erschrecken,
tu’ ich alles, was ich kann!
laut
Nun, mein Herr, das ist ja ein Skandal!
Es klopft heftig
Wer mag's sein, der so spät
alle Leute weckt auf?

ST. PHAR
Lieber Gott, nun ist's aus,
Schicksal, nimm nur deinen Lauf!

WACHLEUTE
Öffnet für die Wache,
im Namen des Königs, macht auf!

FRAU VON LATOUR
Wie. Der Wache soll ich öffnen,
wie kommt man wohl darauf?

ST. PHAR
Ja, der Wache wird sie öffnen,
man hängt mich morgen auf!

WACHLEUTE
Im Namen des Königs, macht auf!

Die Tür wird aufgerissen. St. Phar flüchtet in das Kabinett; der Marquis führt die Wache zum Kabinett und lässt die Tür gewaltsam öffnen. Es folgen Hochzeitsgäste, die Komödianten. Zuletzt werden Bourdon und Alcindor gefesselt hereingeführt.

ALLE
Man muss ihn arretieren
und vor den Richter führen,
den Schurken, der zwei Frauen
sich zur Ehe nahm!
Wo steckt der Kerl,
der gehandelt so infam!
Ja. dies Verbrechen ist unerhört infam!

ST. PHAR, ALCINDOR, BOURDON
Was nun beginnen,
kein Ausweg ist zu seh'n!
Nein, kein Entrinnen,
um uns ist es gescheh'n!

MARQUIS
Er ist's, ihn legt nur gleich in Ketten,
genau wie dieses saub're Paar!
Keine Macht soll vom Tod sie retten,
ihre Schuld wird nun offenbar!

ALCINDOR
Madeleine erblickend
Madeleine,
wie kommt die erste Frau hierher?

MARQUIS
Seine erste Frau?
Wo ist die Zweite?

FRAU VON LATOUR
als Madeleine
Im Zimmer nebenan sitzt sie
und grämt sich schier zu Tode!

MARQUIS
für sich
Witwen zu trösten,
fiel mir schon immer leicht,
ja, jetzt wird sie mein,
das Ziel ist bald erreicht!
laut
Sie können kommen, Madame,
und fürchten Sie sich nicht,
man hat ihn sicher,
entkommen kann er nicht!

geht in das Zimmer

ST. PHAR, ALCINDOR, BOURDON
Was nun beginnen,
kein Ausweg ist zu seh'n!
Nein, kein Entrinnen,
um mich ist es gescheh'n!

MARQUIS
kommt zurück
Du hast dich wohl getäuscht?
Kein Mensch ist in dem Zimmer,
ich fand nur diesen Brief.

ALLE
Wie, ein Brief? Lesen Sie.'

MARQUIS
liest
"Forschen Sie nicht nach mir,
es wäre sinnlos. Frau von Latour
ist gestorben."

ALLE
Sie ist tot!

ST. PHAR
Sie starb für mich,
so hat sie mich geliebt!
zu Madeleine
Ach, wärst du doch an ihrer Stelle!

MARQUIS
Sie wird gerächt,
ich schwör'es dir, Geselle!
Hoffe nicht, dass man dir vergibt!

FRAU VON LATOUR
als Madeleine
Wartet noch! Einen Moment!
Wenn ich mich auch schäme,
ich geh' mit ihm, der mich so sehr gekränkt;
es ist gerecht. wenn Madeleine
sieht, wie ihr Mann wird aufgehängt.
MARQUIS
Da.hat sie recht;
wenn sie mit uns käme,
wär sie als Zeuge dabei.

FRAU VON LATOUR
als Madeleine
Ein Zeuge? Ich zähl’ ja für zwei!
Sie hören recht, ich spreche hier für zwei:
Lasst ja ihn nicht auf Mitleid bauen,
hängt ihn auf für Vielweiberei!

FRAU VON LATOUR
nimmt ihr Kopftuch ab, darunter kommt die Perücke der Frau von Latour zum Vorschein
Meine Herrn, er hat nun mal zwei Frauen,
drum hängt ihn nicht, lasst lieber ihn frei.
Schlimmer noch ist die Quälerei,
wenn er behalten muss nun alle zwei!

ALLE ANDEREN
Was heisst denn das?
War sie's alleine?
Zwei Frauen sind auf einmal eine?

ST. PHAR
Madeleine, du bist Frau von Latour?
Gott, wo hatt' ich denn nur meine Augen?

FRAU VON LATOUR
Ich glaube auch, dass sie nichts taugen,
ja, ich bin es, die dir Rache schwur!

MARQUIS
So recht. Sie lassen sich nicht rühren.
Er wird bestraft für die Schelmerei.

FRAU VON LATOUR
Nein!
Zweimal dieselbe zum Altar zu führen,
ist kein Vergeh'n. drum lasst ihn frei!

ST. PHAR
Madeleine, wie ich's bereue,
dass so ich dich gekränkt!
Aufs neue schwör' ich Treue,
ich werd' ja nicht gehängt.
Du verzeihst?

FRAU VON LATOUR
Einmal noch!
ST. PHAR
O Madeleine!

FRAU VON LATOUR
Stille doch!
küsst ihn

ALCINDOR
Ihr habt vernommen die Geschichten...

FRAU VON LATOUR
... von diesem jungen Postillon!

ALCINDOR
Weiter ist nichts mehr zu berichten.

FRAU VON LATOUR
Er kam mit heiler Haut davon!

FRAU VON LATOUR, ST. PHAR, ALCINDOR
Später, als Mann mit grauen Haaren.
hat er's gebeichtet seinem Sohn,
so singen wir nach hundert Jahren
das Lied vom jungen Postillon:
mit Bourdon
Ho, ho, ho, ho!
So schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!

ALLE
So schön und froh,
du Postillon von Lonjumeau!

 

 

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