Madama Butterfly” by Giacomo Puccini libretto (German)

Personen

Cho-Cho-San, genannt „Butterfly“ (Sopran)
Suzuki, Butterflys Dienerin (Mezzosopran)
Kate Pinkerton (Sopran)
Benjamin Franklin Pinkerton, der amerikanische Marineleutnant (Tenor)
Sharpless, der amerikanische Konsul (Bariton)
Goro (Tenor)
Yamadori, der Fürst (Tenor)
Onkel Bonze (Bass)
Die Mutter Butterflys (Sopran)

ERSTER AKT

Ein Hügel bei Nagasaki
(Japanisches Haus, Terrasse und Garten, im
Hintergrunde, tief unten, sieht man die Stadt mit dem
Hafen. Goro zeigt dem überraschten Pinkerton das

Haus.)

PINKERTON
Diese Wände und Decken...

GORO
Könnt Ihr alle verschieben,
Und immer nach Belieben
In demselben Gemache
'nen wechselnden Anblick Euch verschaffen.

PINKERTON
Und unser Brautgemach
Wo ist's?

GORO
Ihr habt die Auswahl...

PINKERTON
Auch diese Wand verschiebbar!
Die Stube?

GORO (auf die Terrasse weisend)
Bitte!

PINKERTON
Hier im Freien...?

GORO
Doch könnt Ihr schließen...

PINKERTON
Versteh' schon!
Auch die hier... die schiebt man...

GORO
Ein und aus!

PINKERTON
Au! Der Witz ist nicht übel.

GORO
Türme sind selbst so fest nicht;
Solid vom Grund zum Giebel!

PINKERTON
Das ist ein schönes Kartenhaus!

GORO
(klatscht dreimal in die Hände. Zwei Männer und ein
Weib eilen herbei und knien langsam und demütig vor
Pinkerton nieder)
Dies hier ist Eure Zofe;
Sie fand als Kammerkätzchen
Bei der Braut schon ihr Plätzchen -Der Diener... - und
Hier... der Koch.
Sie sind verwirrt von der großen Ehre.

PINKERTON
Die Namen?

GORO
„Miss Zarter Wolkenschleier",
„Strahl der Morgensonne",
„Duftend Gewürze"

SUZUKI
Ach, Euer Gnaden lächelt?
Weil Glück Euch hold umfächelt!
Okunama, der Weise,
Sagt: „Lächeln zerreiße
Kummers Gewebe...
Breche der Perlen Schale,
Öffne dem die Tore zum Paradiese,
Den immer es umschwebe,
Den plätschernd es umfließe..."
Okunama, der Weise,
Sagt: „Lächeln zerreiße
Kummers Gewebe."
(Pinkerton blickt gelangweilt umher. Goro bemerkt es,
und klatscht in die Hände- die drei Bediensteten eilen
ins Haus zurück.)


PINKERTON
Im Schwatzen sind sie gleich,
Die Weiber aller Zonen.
Was guckst du?

GORO
Ob die Braut noch nicht zu sehn ist.

PINKERTON
Alles fertig?

GORO
Und zur Stelle!

PINKERTON
Welch prächtiger Geselle!

GORO
Alles kommt!
Unser Standesamtsverweser,
Die Verwandten, und Euer Konsul,
Und's Fräulein Braut.
Hier auf Bergeshöhe
Schließt Ihr dann Eure Ehe.

PINKERTON
Sind es viele Verwandte... ?

GORO
Die Großmama, die Schwiegermutter,
Der Oheim, ein Bonze (der sich sicher
Hier nicht sehn läßt).
Dann die Vettern und Kusinen...
Im ganzen wohl zwei Dutzend
Verwandte... aller Grade.
Aber die Zahl wird wachsen...
Und dafür sorgt in Treu
Ihr, mein Herr, und die schöne Butterfly.

PINKERTON
Welch trefflicher Geselle!

STIMME DES SHARPLESS
Ich schwitze und klettere!
Schnaufe und wettere!

GORO
Das ist der Konsul!

SHARPLESS (tritt schnaufend auf)
Ouh! Dies Steingeröll...
Bin ganz beklommen!

PINKERTON
Seid mir willkommen!

GORO
Seid uns willkommen!

SHARPLESS
Ouff!

PINKERTON
Vorwärts, Goro
Bring uns Erfrischung!

SHARPLESS
Hoch ist's

PINKERTON
Und herrlich!

SHARPLESS
Nagasaki, das Meer, der Hafen...

PINKERTON
Und hier ein Häusel
Mit viel Bambusgesäusel.

SHARPLESS
Eures?

PINKERTON
Ja, es ist mein für ganze
Neunhundertneunundneunzig Jahre;
Wobei das Recht ich mir wahre,
Jeden Monat zu künd'gen.
Hier ist alles elastisch,
Sowohl der Kaufvertrag,
Als auch die Häuser...

SHARPLESS
Man findet oft hier seinen Nutzen.

PINKERTON
Freilich.
(Goro kommt eilig aus dem Hause und mit ihm zwei
Diener, die Gläser, Flaschen, Teller, Bestecke und
zwei Rohrsessel bringen. Sie decken einen kleinen
Tisch für zwei Personen und eilen dann ins Haus
zurück.)

Im weiten Weltall
Fühlt sich der Yankee heimisch,
Lebt er doch überall
Kühn seinem Handel.
An manch Gestade
Führt ihn seiner Schiffe Wandel...
(unterbricht sich, um Sharpless ein Getränk
anzubieten.)
Milk-Punch oder Whisky?
An manch Gestade
Führt ihn seiner Schiffe Wandel,
Bis eines schönen Tags das wilde Meer
Ihn samt dem Schiff verschlinget.
Das Leben zu genießen,
Irrt er lüstern umher,
Wo Schätze sich erschließen...

SHARPLESS
O, die leichtgeschürzte Weisheit...

PINKERTON
Und wo die Liebe ihm winkt.

SHARPLESS
So leichtgeschürzte Weisheit
Macht's Leben uns wohl heiter,
Doch läßt sie's Herze kalt.

PINKERTON
Beugt's ihn auch nieder,
Rafft er empor sich wieder,
Fügt nach dem Sinne
Die halbe Welt sich.
Nun verheirat' ich mich auf japanisch,
Für neunhundert
Und neunundneunzig Jahre;
Freilich darf ich kündigen
Jeden Monat.

SHARPLESS
O leichtgeschürzte Weisheit!

PINKERTON
„America for ever!"

SHARPLESS
„America for ever!"
Ist's ein liebliches Mädchen?

GORO (Der das gehört hat, zeigt sich auf der Terrasse.)
's ist wie ein Sträußel von frischen Blumen,
Wie ein Sternlein mit gold'nen Strahlen.

Und so billig: Nur hundert Yen!
Will Eu'r Gnaden mich beehren?
Ich habe noch reiche Auswahl.

PINKERTON
Geh und führe die Braut her!

SHARPLESS
Wie nach ihr Euch verlanget!
Ihr seid wohl schon
Ganz Feuer und Flamme?

PINKERTON
Mag sein! Mag sein!
Hab' niemals was Holderes gesehen!
Ob's echte Liebe, möcht' ich mich fragen;
Eins kann ich sagen: Mich hat die Kleine
Im Netze gefangen.
Leicht wie ein Gläsel von jung-mildem Weine;
Edel und zierlich, schlank und manierlich,
Ganz so japanisch - Nippesfigürlich!
Tief hinter Fächern
Und Matten verstecket,
Wartet sie drauf,
Daß ein Aug' sie entdecket;
Huscht wie ein Schmetterling
Flugs in die Weite,
Setzt sich dann wieder
Und lacht von der Seite.
Solch kleinen Falter ich erjagen wollte,
Ob's auch die Flügel ihm zerschlagen sollte!

SHARPLESS
Ach, heute sind's drei Tage:
Da kam sie ins Konsulat. Ich sah sie nicht,

Doch hört' ich reden sie,
Und beim Klang ihrer Stimme
Ward mir, ich weiß nicht, wie!
Wer so innig und warm davon spricht,
Dess' Lieb' ist echt...
Die kleinen zarten Flüglein,
Die dürft Ihr nimmer zerschlagen,
Dürft nimmer brechen ein gläubig Herzelein!
Ich hörte ihre Stimme, die klang so süß,
Klang ach! so innig.
Ewig nie tön' sie in Schmerzenslauten!

PINKERTON
Trefflicher Konsul, glaubet mir,
Ihr nehmt es viel zu schwer;
Ihr habt der Jugend leichten Sinn nicht mehr.
Weg mit der Trübsal!
Man ist nur einmal, einmal im Leben
Jung und liebesfroh!
Whisky?

SHARPLESS
Noch ein Gläschen nehm' ich.
Sei's Eurer fernen Familie zum Heile!

PINKERTON
Und trinken wir auf meinen Bund,
Den künft'gen Eh'bund
Mit einer echten Amerikanerin...

GORO (kommt atemlos den Hügel herauf.)
Seht Ihr! Da sind sie,
Sie kommen immer näher.
Hört Ihr das lust'ge Plaudern?

Wie der Wind in Blättern rauschet,
Klingt's, wenn man lauschet.

BUTTERFLYS FREUNDINNEN
Ah! Ah!
Oh! Weiter Himmel!
Endlos Meer!

BUTTERFLY
Bald sind wir auf der Höhe.

FREUNDINNEN
Wie langsam du bist.

BUTTERFLY
Wartet!

FREUNDINNEN
Sieh doch,
Sieh den Blumenflor!

BUTTERFLY
Über das Meer und alle Lande
Weht es wie ein Hauch von holdem Frühling.

SHARPLESS
O, glücklich Reden junger Menschen.

BUTTERFLY
War je ein anderes Mädchen
In Japan und der weiten Welt so fröhlich?
O Liebe, dir nun folg' ich, deinem zärtlichen Ruf.
Ich nah' mich deiner Schwelle, o Liebe,
Im Saale deiner Freuden

Selig zu ruhn
Ihr Guten! Ich folg' dem Ruf der Liebe,
Und nah bin ich ihr.

FREUNDINNEN
Weiter Himmel! Endlos Meer! Welche Pracht!
Leb' ewig in Freuden, o Gespielin.
Doch eh' dein Fuß berührt die Schwelle,
Die dein harret, wende dich um
Und sieh den weiten Himmel,
Sieh das endlos weite Meer,
Das dich rings umgibt!

BUTTERFLY
Da sind wir.
(Sie sieht die Gruppe der drei Männer und erkennt
Pinkerton Sie schließt sofort den Sonnenschirm und
zeigt Pinkerton ihren Freundinnen.)

B. F. Pinkerton! Heil!

FREUNDINNEN
Heil!

BUTTERFLY
Große Ehre!

FREUNDINNEN
Seid gegrüßet!

PINKERTON
Recht beschwerlich
War der Aufstieg?

BUTTERFLY
Hab' als Braut von guten Sitten
Eh'r an Ungeduld gelitten.

PINKERTON
Ei, das Kompliment ist selten.

BUTTERFLY
Noch viel schön're wüßt' ich Euch.

PINKERTON
Schön wie Perlen!

BUTTERFLY
Macht's Euch Freude, sie zu hören?

PINKERTON
Danke, nein!

SHARPLESS
Miss Butterfly - wie reizend!
Welch passender Name!
Seid Ihr von Nagasaki?

BUTTERFLY
Ja, mein Herr!
Und aus einst wohlgestellter Familie.
(zu den Freundinnen)
So ist's?

FREUNDINNEN
So ist's!

BUTTERFLY
Ich weiß ja wohl, daß niemand
Will arm geboren sein;
Jeder Vagabunde
Möcht' gerne uns erzählen
Von edler Herkunft.
Ach, glaubt im Ernste nur: Wir waren reich!
Doch der Wettersturm zerbricht
Auch die allerstärksten Stämme.
Da sangen wir als Geisha
Ums täglich Leben.
(zu den Freundinnen)
War's so?

FREUNDINNEN
So war's!

BUTTERFLY
Sollt' ich's verschweigen?
Sollt' mich schämen?
Ihr lächelt? Warum?
So ist das Leben.

PINKERTON
Wie sie redet und zierlich tut,
Ist nun gar zum Entzücken!

SHARPLESS
Und Ihr habt noch Geschwister?

BUTTERFLY
Nein, Ihr Herren, nur die Mutter.

GORO
Eine adlige Dame.

BUTTERFLY
Daß sie nun auch verarmte,
Hinderte nicht ihr Name.

SHARPLESS
Und Euer Vater?

BUTTERFLY (hält betroffen inne, dann antwortet sie kurz)
Tot!

SHARPLESS
Und wie alt seid ihr?

BUTTERFLY
Ihr sollt drauf raten.

SHARPLESS
Zehn Jahr

BUTTERFLY
Was höher

SHARPLESS
Zwanzig

BUTTERFLY
Was tiefer...
Fünfzehn genau vollendet;
Bin doch wahrlich schon alt!

SHARPLESS
Fünfzehn Jahre alt!

PINKERTON
Fünfzehn Jahre alt!

SHARPLESS
Die Zeit der Spiele

PINKERTON
Und Karamellen.

GORO
Der Regierungskommissarius,
Der Herr Standesamtsverweser,
Die Verwandten...

PINKERTON
Goro eilt Euch.
(Goro eilt ins Haus. Pinkerton spricht mit dem Konsul.)
Welche Posse!
Die Parade dieser neuen Anverwandten!

BASE und VERWANDTE
Er ist wirklich nicht schön.
Er ist nicht schön.

BUTTERFLY
Er ist so schön
Wie man im Traume nur wünschen sich mag!

MUTTER und FREUNDE
Er scheint mir wie ein König.
Mit großem Vermögen sicherlich.

BASE (zu Butterfly)
Goro bot mir ihn auch schon an,
Doch sagt' ich Nein!

BUTTERFLY
Ach, tu' dich nicht!

VERWANDTE (zur Base)
Ihre Schönheit ist im Erblassen schon.
Die Scheidung folgt bald.

BASE und VERWANDTE
Ich hoffe es

ONKEL YAKUSIDE
Gibt's hier Wein?
Laßt uns umsehen.
Ich sah schon was,
Halb braun wie Tee, halb Karmesin.

GORO
Zum Himmel, sprecht leiser!
Sch! Sch! Sch!

SHARPLESS
Im Glück seid ihr,
O Pinkerton!
Euch reift zur vollen Rose
Die kaum erblühte Knospe!

PINKERTON
Ja, es stimmt, sie ist eine Blume.
Ihr exotischer Duft
Hat mir das Hirn vernebelt.

BASE und VERWANDTE
Er bot ihn mir auch schon an,
Doch ich sagte, „Ich will nicht"

MUTTER und FREUNDE
Er sieht gut aus und scheint mir
Wie ein König!
Jch hätt' nicht nein gesagt!

SHARPLESS
Sah ich doch wahrlich niemals
Ein schöner Mädchen.
Spiel nicht mit dem Vertrag
Und ihrem Vertrauen...

BASE und VERWANDTE
Ohne viel zu spähen
Find' ich bessere.
Ich will's ihm auf den Kopf zusagen!

MUTTER und FREUNDE
Ich stimm nicht zu.
Er ist ein großer Herr.
Ich hätt' nicht nein gesagt!

BUTTERFLY
Höret! Achtet auf mich!

PINKERTON
Ja, es stimmt, sie ist eine Blume.
Und ich habe sie gepflückt!

SHARPLESS
... Habet acht' Sie glaubt daran!

BUTTERFLY
Mutter, komm her!
Achtet auf mich,

Und tuet mir nach:
Eins, zwei, drei...
All' auf die Knie!
(Alle verbeugen sich vor Pinkerton und Sharpless.
Pinkerton ergreift Butterflys Hand.)


PINKERTON
Meine Geliebte...
Gefällt dir unser Häuschen?

BUTTERFLY
O Herr B. F. Pinkerton, Verzeihung.
Ach, ich möchte... ein paar zierliche Sachen.

PINKERTON
Und wo sind sie?

BUTTERFLY
Sie sind hier, Euch mißfällt das?
(Holt Gegenstände aus dem Ärmel hervor.)

PINKERTON
's ist mir neu, Meine holde Butterfly!

BUTTERFLY
Seid'ne Tüchlein. Die Pfeife.
Weiter: Ein Gürtel und eine kleine Brosche.
Dann ein Spiegel und ein Fächer.

PINKERTON
Und die Büchse da?

BUTTERFLY
Dann ist was zum Färben.

PINKERTON
Oho!

BUTTERFLY
Mißfällt's Euch?
(Sie wirft die Büchse fort.)
Fort!

PINKERTON
Und dies da?

BUTTERFLY
Das ist etwas Heil'ges.

PINKERTON
Und kann man das nicht sehen?

BUTTERFLY
Zuviele Leute.
Ihr verzeiht wohl?!

GORO (flüstert Pinkerton ins Ohr)
Ein Geschenk vom Mikado
An ihr'n Vater... mit der Weisung.
(Er ahmt die Bewegung des Bauchaufschlitzens nach)

PINKERTON
Und ihr Vater?

GORO
Folgte der Weisung.

BUTTERFLY
(holt aus den Ärmeln einige Statuetten hervor)
Die Ottoke'n

PINKERTON
Die Figürchen - Und die bedeuten?

BUTTERFLY
Die Seelen meiner Ahnen.

PINKERTON
Ah! All meine Achtung!

BUTTERFLY
Hört nur: Ganz im Geheimen
Ging ich gestern ins Haus der Missionen.
Nun mein Leben ein neues,
Darf auch ein neuer Glauben in mir wohnen.
Onkel Priester weiß nichts,
Noch die Meinen ahnen's.
Ich folg' des Schicksals Reigen
Und werde demutsvoll
Vorm Gotte des Herrn Pinkerton
Mich neigen.
So will's mein Schicksal!
In derselben Kapelle
Knie' ich nieder mit Euch,
Um dem gleichen Gott zu dienen.
Und ist's Euch zu Gefallen,
Könnt' ich fast meine Leute ganz vergessen.
Mir sei's verziehn!

GORO
Alles stille!

KOMMISSÄR
Wir gestatten dem hier zugeg'nen
Benjamin Franklin Pinkerton,
Offizier auf dem Kanonenboote Lincoln,

Marine der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
Und dem zugeg'nen Fräulein Butterfly
Aus dem Viertel Omara-Nagasaki,
Die Ehe einzugehn.
Dem Erstgenannten
Auf den eignen Willen hin,
Und ihr auf Grund
Des Konsenses der Verwandten,
Die alle hier zugegen.

GORO (sehr förmlich)
Der Eh'mann.
Nun die Eh'frau.
Und alles fertig.

FREUNDINNEN
O Madam' Butterfly!

BUTTERFLY
Jetzt Madam' B. F. Pinkerton

KOMMISSÄR
Die besten Wünsche!

PINKERTON
Ich danke recht ergebenst.

KOMMISSÄR
Geht Ihr hinunter, Konsul?

SHARPLESS
Ich begleit' Euch.
(zu Pinkerton)
Wir zwei sehn uns morgen.

PINKERTON
Das will ich meinen.

STANDESBEAMTER
Nachkommenschaft!

PINKERTON
Versuchen wir's.

SHARPLESS (bedeutungsvoll zu Pinkerton)
Doch Vorsicht'
(Sharpless, der Standesbeamte und der Kommissär
gehen ab.)


PINKERTON (beiseite)
Und nun erledigen wir die Familie!
Ihr sollt sehn, daß ich nicht knause;
Doch geht recht bald nach Hause!
(Erhebt sein Glas.)
Hip! Hip!

VERWANDTE
O Kame! O Kame!

PINKERTON
Aufs Wohl meiner allerliebsten Dame!
(Plötzlich erscheint eine furchterregende Person.
Es ist der Bonze, der wütend vortritt, seine Hände
drohend nach Butterfly ausstreckend.)


DER ONKEL BONZE
Cho-cho-san! Du bist mir Abscheu!

BUTTERFLY und DIE VERWANDTEN
's ist der Oheim!

GORO
Was will denn der hier oben?!
Ist doch wahrlich der Ort nicht hier
Zum Schreien und Toben!

BONZE
Cho-cho-san! Weshalb warst du
Im Missionshaus?

ALLE
Gib Antwort, Cho-cho-san!

PINKERTON
Ei, was gibt's da zu brüllen?

BONZE
Gib Antwort auf die Frage!
Himmel! Ist dein Auge trocken?
Konnt' so dein Herz verstocken?
Sie hat uns all' verleugnet.

ALLE
Hou! Cho-cho-san!

BONZE
Ja, ich sag' euch, verleugnet
Den alten Glauben!

ALLE
Hou! Cho-cho-san!

BONZE
Kami sarundasico!
Daß deine faule Seele
Ew'ge Folterpein quäle!

PINKERTON
Euch sag' ich: Nun ist's Maß voll!

BONZE
Von hinnen alle -
Kommt mit mir!
Du hast uns verleugnet...
Nun sei verstoßen!

PINKERTON
Macht euch schleunig von dannen!
In meinem Hause duld' ich kein Lärmen
Und keine Bonzerei!

ALLE (im Abgehen)
Hou! Cho-cho-san! Kami sarundasico!
Hou! Cho-cho-san! Nun sei verstoßen!

PINKERTON
Mägdlein, ach Mägdlein, weine nicht,
Weil die Affen dort brüllen.

VERWANDTE (von fern)
Hou! Cho-cho-san!

BUTTERFLY
Hört, wie sie schrein!

PINKERTON
All das betörte Volk,
Und alle Bonzen hier im Land
Sind wahrlich nicht wert,
Daß deine schönen Augen weinen.

BUTTERFLY
Im Ernst? Ich weine nicht mehr;
Und fast ist mir nicht leid,
Daß ich verstoßen...
Weil so liebreiche Worte
Mir nun widerklingen tief in der Brust.
(Sie neigt sich, um Pinkerton die Hand zu küssen)

PINKERTON
Ei was! Die Hand?

BUTTERFLY
Man sagt mir, daß da drüben,
Bei wohlerzog'nen Leuten,
Dies will bedeuten:
Herzliche Verehrung.

SUZUKI (von innen)
Izagi, Izanami sarundasico,
Kami, Izagi
Izanami sarundasico, Kami.

PINKERTON
Wer murmelt da im Haus?

BUTTERFLY
Die Suzuki
Sie flüstert ihr Gebet für die Nacht.

PINKERTON
Ja, es ward Abend...

BUTTERFLY
Und schattig und stille.

PINKERTON
Und du allein hier...

BUTTERFLY
Allein und gar verstoßen!
Ausgestoßen... Und so selig!

PINKERTON
(klatscht dreimal in die Hände. Die Diener eilen
hinaus.)

Wohlan, nun schließet.

BUTTERFLY
Ja, wir sind ganz allein hier;
Allein und weltverloren.

PINKERTON
Kein Schrei gellt mehr den Ohren.

BUTTERFLY
Suzuki, mein Gewand!
(Suzuki sucht in einer Truhe nach und reicht
dann Butterfly das Nachtgewand.)

SUZUKI
Gute Nacht!

BUTTERFLY
Die prunkende Schleife
Laß endlich mich lösen;
Weiß wie die Lilie
Erscheine die Braut... !
Er lächelt und flüstert
Und spähet verstohlen...

Wo könnt' ich mich bergen?!
Ich brenne vor Scham!
Ich hör' die böse Stimme,
Die mich verfluchte.
Butterfly ausgestoßen!
Ja, ausgestoßen... Und doch so glücklich!

PINKERTON
Behende wie ein Eichhörnchen
Löset sie die Knoten!
Wer dächte, daß dies Püppchen
Meine Gattin sei!
Welch ein holdselig Wesen!
Heiß wie Glut
Fühl' ich Verlangen nach ihr
Mich ganz verzehren.
(Er steht auf, nähert sich Butterfly und reicht ihr
die Hand.)

Mädchen, in deinen Augen liegt ein Zauber,
Dem bin ich ganz verfallen.
Wie leuchtet auf schnee'gem Gewande
Der dunkle Schmuck deines Haares!
Du gleichst einer Göttin!

BUTTERFLY
Als Göttin des Mondes erschein' ich;
Als Göttin des Mondes,
Die leis' in der Nacht
Auf der Brücke des Himmels herabsteigt.

PINKERTON
Sie bezaubert die Herzen...

BUTTERFLY
Und ergreift sie,
Hüllt sie sorgend ins weiße Gewand,
Und führt sie in die Ferne,
in Himmelsgefilde.

PINKERTON
Willst du nun endlich mir sagen,
Ob auch recht von Herzen mich lieb hast?
Wohl kennt jene Göttin das Wörtlein,
Danach sich der Liebende sehnt?

BUTTERFLY
Sie weiß es,
Doch mag sie's nicht sagen,
Weil an ihm zu sterben sie wähnt.

PINKERTON
Törichter Wahn ist's,
Daß Liebe uns töte...
Liebe ist Leben, macht uns
Jubeln vor ungemess'ner Wonne;
Sowie nun jubelt deines Auges
Fremdschöne Sonne.

BUTTERFLY
Ja, nun seid Ihr
für mich der Himmel!
Seid mein Licht und Leben!
Oh! Ihr gefielet mir schon,
Als ich eben Euch nur erschauet.
Ihr seid groß und kräftig!
Ihr lacht so offen und von Herzen;
Von Euren Worten, da fliehn alle Schmerzen.
Wie bin ich glücklich!

Wollt Ihr mich nun lieben, ein ganz klein wenig lieben,
Dann gibt sich so ein Mägdlein,
Wie ich bin, schon zufrieden;
Ein wenig nur lieben!
Wir sind an alles Kleine von jeher gewöhnet.
Stille und voller Demut,
Lieben leises Kosen
Von mächtigen Gewalten,
Wie das linde Gewell' auf dem Meere.

PINKERTON
Laß mir die kleine Hand,
Die ich begehre...
O Butterfly!
Das ist der rechte Name.
Schmetterling, du holder!

BUTTERFLY
Wer in Euren Landen
'nen Schmetterling erjagt,
Sticht eine Nadel
Durch sein zierliches Leibchen,
Ihn auf ein Brett festzunageln!

PINKERTON
's ist schon was Wahres dran,
Und weißt du auch warum?
Damit er nimmer flieh'!
Du bist gefangen...
Ich fühle dich erbeben...
Sei mein denn!

BUTTERFLY
Ja, und fürs Leben!

PINKERTON
Komm, Geliebte, auf, befreie die Seele
Von Zweifeln und von Kummer.
Sieh, die Nacht leuchtet helle!
Rings liegt alles im Schlummer!
Ja, befrei dein zagend Herz, um Wonne nur zu fühlen,
Komm, Geliebte! Sei die Meine!

BUTTERFLY
Ah! Welch ein Himmel voller Sterne!
wie ich heut' ihn lieben lerne!
Leuchtet! Glitzert! Glüht und funkelt!
Aller Erden Glanz verdunkelt. .. !
Oh! Die tausend hellen Äuglein!
Allenthalben schaun sie her
Auf die Lande, übers Meer.
Die tausend hellen Äuglein schau'n herunter...
O selig holde Nacht!
Sieh der Himmel lacht,
Und uns're Liebe leb'!

ZWEITER AKT

Inneres von Butterflys Häuschen
(Suzuki kauert vor dem Bildnisse Buddhas und betet;
von Zeit zu Zeit läutet sie an der Gebetsglocke. Butterfly
steht steif und regungslos vor einem Wandschirm.)


SUZUKI
Izaghi, Izanami,,
Sarundasico und Kami...
Oh, woran denk' ich!
Und du, Ten-Sjoo-day!

Gebet, daß Butterfly sich wieder freu'!
O hört mein Flehn!

BUTTERFLY
Faul und gefühllos
sind die Götter in Japan.
Der Gott der Amerikaner,
Deß bin ich sicher,
Hört sofort auf die Stimme,
Die ihn anfleht.
Doch glaub' ich wohl, er weiß nicht,
Daß wir Armen hier wohnen.
Suzuki,
Wie fern ist noch das Elend?
(Suzuki öffnet einen kleinen Tisch und nimmt ein paar
Münzen heraus, die sie Butterfly zeigt.)


SUZUKI
Hier ist all' unsre Habe.

BUTTERFLY
Das hier?- Oh! Zuviel Kosten!

SUZUKI
Kehrt er nicht wieder, und eilig,
So kann es schlimm für uns werden.

BUTTERFLY
Er kommt.

SUZUKI
Wer es wußt'!

BUTTERFLY
Warum verfügt'er, daß der Konsul
Unsrer Wohnung Zins bezahle... ?
Gib Antwort mir!
Warum hat er so sorglich das Haus versehn
Mit Schlössern und mit Riegeln,
Wenn er nie wieder zu uns kehren wollt'?

SUZUKI
Ach, wer weiß.

BUTTERFLY
Weißt du's nicht? Soll ich dir's sagen?
Daß von gift'gen Mücken
Und Verwandten und Plagen
Nie was hereinkomm'
Ins Haus hier, wo so sorglich
Sein treues Weib er heget,
Mich, sein Weib und seine Liebe, Butterfly!

SUZUKI
Nie, daß ich wüßte,
Frommt's japanischen Frauen,
Dem fremden Mann zu trauen.

BUTTERFLY
Ah! Schweige! Ich erwürg' dich!
Als ich am letzten Morgen
„Kehrt ihr wieder, o Herr"
Ihn fragend bat,
Da gab er schweren Herzens,
Doch, sein Leid zu verbergen,
Leise lächelnd zur Antwort:
„O Butterfly,
mein süßes, kleines Weibchen,

Wenn die Rosen erblühn,
Dann kehr' ich zu dir wieder,
Und wenn Jung-Rotkehlchen
Leis' im Neste zwitschern..."
Oh! Er kommt!

SUZUKI
Ich hoff's.

BUTTERFLY
Sag' es mir nach:
Ja, er kommt!

SUZUKI
Ja, er kommt.

BUTTERFLY
Weh mir! Du weinst!
Ach, dir fehlt der Glaube!
Höre!
Eines Tages
Sehn wir ein Streifchen Rauch
Im Osten überm Meer
In die Lüfte steigen:
Sein Schiff wird sich dann zeigen.
Und das weiße Kriegsschiff,
Schnell naht sich's dem Hafen,
Donnert den Salutschuß,
Bringt mein Glück mir wieder!
Ich gehe nicht hinunter, o nein!
Ich lagre mich am Rande des Hügels
Und warte, warte geduldig,
Und währt es lange,
Macht mich's nicht bange,

Und kommt er dann gemach in unsre Nähe,
Wird sichtbar wie ein Punkt er,
Steigt langsam auf die Höhe...
Ob er's ist? Ob er's ist?
Und wenn er dann gekommen...
Was er sagt? Was er sagt?
Ja, dann ruft er, „Butterfly! von weitem;
Mag wohl zuerst sich sorgen,
Denn ich halt' mich verborgen;
Nicht nur zum Scherze:
Damit ich nicht vergeh'
Am Wiedersehen!
Und suchend schaut er hier und dort umher,
Bis er jauchzt:
„Mein treues, kleines Weibchen,
Süßduftende Verbene!"
Ach, all der Namen Schatz
Aus holden Zeiten!
Ich gelobe dir heilig,
Daß dies eintrifft...
Halte für dich die Zweifel,
Ich will mit Zuversicht
Ihn erwarten.
(Butterfly entläßt Suzuki, die durch den linken Ausgang
abgeht. - Im Garten sieht man Goro und Sharpless.)


GORO
Kommt, da ist sie

SHARPLESS
Bin so frei Madam' Butterfly!

BUTTERFLY
Madam' Pinkerton - Bitte.
(Sie wendet sich.)

Ei was, mein Herr Konsul ist's,
Mein Herr Konsul!

SHARPLESS
Ihr kennt mich wieder?

BUTTERFLY
Willkommen! Ihr seid hier in Landsmanns Hause!

SHARPLESS
Danke.

BUTTERFLY
Nun denn... Eure Ahnen alle munter?
Ich hoffe.

BUTTERFLY
Ihr rauchet?
(gibt Suzuki ein Zeichen, die Pfeife
zurechtzumachen.)


SHARPLESS
Danke. Ich möcht'...

BUTTERFLY
Herr Konsul, Wie blau ist doch der Himmel!

SHARPLESS
Danke. Ich...

BUTTERFLY
Ach, Ihr wünscht lieber amerikan'sche Zigaretten?

SHARPLESS
Dank. Ich wollt' Euch zeigen...

BUTTERFLY (reicht Sharpless ein brennendes Streichholz)
Für Euch.

SHARPLESS
Es schrieb mir Benjamin Franklin Pinkerton.

BUTTERFLY
Wahrhaftig! Und wie geht's ihm?

SHARPLESS
Vortrefflich.

BUTTERFLY
Ich bin das fröhlichste Weibchen in ganz Japan.
Darf' ne Frag' ich an Euch stellen?

SHARPLESS
Freilich.

BUTTERFLY
Wißt Ihr wohl, wann ihr Nest bau'n in Amerika...
Die Rotkehlchen?

SHARPLESS
Ei, was meint Ihr?

BUTTERFLY
Ja... bau'n sie später hier?

SHARPLESS
Doch warum?

BUTTERFLY
Mein Gemahl hat mir versprochen,
Daß er zurückkehrt in dem holden Monat,
Wo leis' im Neste Jung-Rotkehlchen zwitschern.
Hier kam schon dreimal aufs neu die Brut.
Doch mag es sein, daß überm Meere
Andre Gewohnheit waltet...
Wer lacht da?
Oh, der Nakodo...
Ein schlimmer Bursche!

GORO
Freut mich.

BUTTERFLY
Stille.
(zu Sharpless)
Er hat gewagt...
Nein, gebt mir erst Antwort auf meine Frage...

SHARPLESS
Ich bedaure... ich weiß nicht...
Niemals studiert' ich Ornithologie.

BUTTERFLY
Orni...

SHARPLESS
... thologie

BUTTERFLY
Ei, kurz und gut Ihr wißt's nicht.

SHARPLESS
Nein. Nun denn also...

BUTTERFLY
Ach, ja... Goro,
Sobald nur B. F. Pinkerton in See war,
Ließ keine Stunde Ruh' mir,
Mit Reden und Geschenken
Bald für diesen, bald für jenen
Mich zu werben.
Nun verspricht er Kleinodien
Im Namen eines Gecken...

GORO
... des reichen Yamadori!
Sie ist arm und kann's brauchen;
Von den Verwandten
Will niemand sie mehr sehen.
(Hinter der Terrasse sieht man Yamadori in einer
Sänfte kommen. von Dienern umgeben.)

BUTTERFLY
Aufgepaßt! Da kommt er!
Yamadori, so brennt
Der Liebe süße Pein
Euch noch im Busen?
Geht's an Leben Euch und Ehre,
Wenn den Kuß ich noch verwehre?

YAMADORI
Nichts im Leben ist so lästig
Wie dies Schmachten ohne Zweck.

BUTTERFLY
Nun, Ihr fandet doch gewißlich
Schon zu vielen Frau'n den Weg.

YAMADORI
Hab' sie allesamt geeh'licht,
Und durch Scheidung ward ich frei.

BUTTERFLY
Sehr verbunden...

YAMADORI
Doch würd' ich Euch
Ew'ge Treu geloben.

SHARPLESS
Oh, ich fürcht', in meiner Sache
Richt' ich heute nicht viel aus.

GORO
Villen, Diener, Schätze - in Omara,
Ein wahrhaft fürstlich Haus!

BUTTERFLY
Hab' den Gatten schon gefunden.

GORO und YAMADORI (zu Sharpless)
O sie hält sich für gebunden.

BUTTERFLY
Nein, ich halt' mich nicht, ich bin es!

GORO
Das Gesetz doch...

BUTTERFLY
Kenn' ich nicht.

GORO
„Wird die Ehefrau verlassen,
Achte man's der Scheidung gleich."

BUTTERFLY
Gesetz bei euch Japanern,
Doch nicht in meinem Lande.

GORO
Wo denn?

BUTTERFLY
In Nordamerika.

SHARPLESS
Oh, armes Wesen!

BUTTERFLY
Wenn hier die Tür man aufreißt
Und die Frau ohne weiteres hinausweist,
Redet man groß von Scheidung.
Dort in Amerika
Geht so etwas nicht.
(zu Sharpless)
Nicht wahr?

SHARPLESS
Wahr ist's... Jedoch...

BUTTERFLY
Da ist ein Richter,
Der ruft sich den Eh'mann,

Fragt ihn dann strenge:
„Ihr wollt die Gattin fliehn?
Sagt uns, warum?"
„Ich bin sie müde,
Hört meine Bitte!"
Drauf sagt der Richter:
„Flugs in den Kasten - drei Tage fasten!"
Suzuki, Tee!

YAMADORI
Ihr hörtet!

SHARPLESS
Die Verblendung erfüllt
Mit Kummer meinen Sinn.

GORO
Pinkertons Schiff
Ist schon im Hafen gemeldet.

YAMADORI
Sieht sie ihn dann erst wieder!

SHARPLESS
Er will sich hier nicht zeigen.
Ich komm' ja gerade,
Sie vom Wahn zu befreien...

BUTTERFLY
Euer Gnaden gestatten...
Was für lästige Menschen!

YAMADORI
Lebt wohl! Ich laß Euch nun
Mit schwerem Herzen.
Ich hoffe noch...

BUTTERFLY
Oh, bitte...

YAMADORI
Wenn ihr nur wolltet...

BUTTERFLY
(Yamadori geht, Goro folgt ihm.)
Nur schade, daß ich nicht will!

SHARPLESS
Hört mich an
Und setzt Euch her:
Wollt Ihr in Ruhe lesen
Hier den Brief mit mir?

BUTTERFLY
Gebt ihn.
(Sie nimmt den Brief, küßt ihn und hält ihn an ihr
Herz.)

Erst ihn küssen, ihn herzen...
O wie schön, daß Ihr heute gekommen!
Und nun beginnet.

SHARPLESS
„Mein Lieber, geh
Und sprich mit dem herzigen Mädchen."

BUTTERFLY
Steht das wirklich so da?

SHARPLESS
Ja, so steht da;
Doch wenn bei jedem Satze...

BUTTERFLY
O, ich schweige...
Kein Wort mehr!

SHARPLESS
„Ach, die Zeit ist schon ferne,
Drei Jahre sind vergangen."

BUTTERFLY
Wie genau er's behalten!

SHARPLESS
„Vielleicht denkt Butterfly
Kaum mehr an mich zurück!"

BUTTERFLY
Denk' nicht an ihn mehr?!
Suzuki, hör' doch, hör!
„Denkt kaum an mich zurück!"

SHARPLESS
Was hilft es!
„Doch wenn sie mich noch liebt,
Mich erwartet... "

BUTTERFLY
O die herzlieben Worte!
Du sei gesegnet!
SHARPLESS
„So bitte ich Euch dringend, ihr mögt die Gute zeitig
Und behutsam vorbereiten... "

BUTTERFLY
So kommt er!

SHARPLESS
„Auf alles... "

BUTTERFLY
Wann denn? Morgen! Morgen!

SHARPLESS (fürsich)
Vortrefflich.
Jetzt durchhau' ich den Knoten...
Nun sagt mir,
(zu Butterfly)
Madam' Butterfly,
Was Ihr wohl begännt,
Wenn er den Weg zur Rückkehr
Nie mehr fänd'?

BUTTERFLY
Zwei Dinge könnt' ich tun:
Die guten Leut
Erfreun mit Sang und Tanz...
Oder auch - besser - sterben.

SHARPLESS
Meinem Herzen tut es wehe,
Euch vom Wahne zu befrein...
Hört mich an: Was auch geschehe,
Nehmt den reichen Yamadori.

BUTTERFLY
Ihr! Ihr, mein Herr, Ihr sagt mir dieses! Ihr?

SHARPLESS
Großer Gott, was soll ich tun?

BUTTERFLY
Schnell, Suzuki, hurtig, hurtig,
Der Herr Konsul geht hinaus...

SHARPLESS
Ich verstehe...

BUTTERFLY
O ich bitt' Euch,
Alle Müh' wär' doch vergebens.

SHARPLESS
Ich war grausam,
Kann's nicht leugnen...

BUTTERFLY
Oh, Ihr tatet mir so wehe,
Tief im Herzen, ach so wehe!
Laßt nur, danke!
War dem Tode schon nah', doch geht's vorüber,
Wie die Wolk' überm Meer sich verzieht.
Ha! Er vergaß mich?
(In das innere Zimmer gehend, kommt sie dann mit
einem Kind auf dem Arm zurück.)

Und das? Und das?
Kann er das auch jemals vergessen?

SHARPLESS
's ist sein Kind?

BUTTERFLY
Sah man denn jemals
Bei Kindern hier in Japan blaue Äuglein?
Und die Lippe!
Und seines Haares gold'ne Löckchen?

SHARPLESS
Ohne Zweifel... Und Pinkerton weiß nichts?

BUTTERFLY
Nein. Nein. Es kam erst,
Als er schon drüben
In seinem großen Land war,
Doch Ihr nun müßt ihm schreiben:
Es erwartet ein süßer,
Kleiner Sohn Euch!
O, dann sollt Ihr mal sehn
Wie er hierher eilt,
Durch die Lande, über Meere!
Weißt du, was der Herr da
Zu denken sich nicht scheute?
Deine Mutter soll dich
im Arme tragen
Und so bei Regen und Sturm
Die ganze Stadt durchziehn,
Für dich um täglich Brot
Und Kleid zu bitten;
Soll vor den mitleidvollen Leuten
Schön tanzen, wie vor Jahren einst!
Wär's möglich?
Mit Dolchen im Herzen
Und mit Tränen im Auge könnt' ich armes Weib
Durch die Straßen ziehn in lachendem Gewerbe?
Wär' es wohl denkbar, daß Butterfly
Am Ende wieder Geisha werd',

Und im Takt der Gitarren
Wollüstig wieg' ihren Leib vor aller Welt?
Das frohe Lied, das dabei zu erklingen hätte.
Traurig würd's enden!
O nein! Das soll nicht sein,
Nicht dies Gewerbe
Nach so großem Glücke!
Sterben! Doch Geisha nie!
Viel lieber ging ich zehnmal in den Tod.
Ah! Sterben!

SHARPLESS (fürsich)
Wie mich's ergreift!
(zu Butterfly)
Ich muß Euch lassen...
Könnt Ihr verzeihen?

BUTTERFLY
Auch du, gib ihm dein Händchen!

SHARPLESS
Die schönen, blonden Haare!
Sag' mir, wie du denn heißest?

BUTTERFLY
So sage:
Heute noch heiß' ich Kummer.
Doch sagt meinem Vater im Briefe,
Daß ich bei seiner Rückkehr
Jubel heiße,
Jubel! So heiß' ich dann.

SHARPLESS
Dein Vater soll's erfahren, ich gelob dir's.
(Er eilt hinaus.)

SUZUKI (von draußen, schreiend)
Wespe! Giftgeschwoll'ne Kröte!
(Sie kommt herein, Goro gewaltsam mit sich ziehend.)

BUTTERFLY
Was ist?

SUZUKI
Der böse Vampyr
Flattert um uns,
Der alle Tage in alle Winde hinaus schreit,
Daß niemand weiß,
Wer unsers Knaben Vater!

GORO
Ich meinte bloß,
Daß dort in Amerika,
Wenn ohne Segen
Ein Kind zur Welt gekommen,
Es stets und allerwegen gemieden und verachtet!

BUTTERFLY
Ha! Du lügest, Scheusal!
Sag's noch einmal, so stirbst du!

SUZUKI
Nein!

BUTTERFLY
O pfui!
Wart ab, herziges Lieb,
Mein Weh und ach! mein Balsam...
Herzliebes Kind,
Du sollst sehen, dein Rächer kommt hierher.

Und führt uns hinweg
In sein Heimatland. Hinweg ins ferne Land.
(Kanonenschuß.)

SUZUKI
Die Kanone im Hafen!
Das ist sicher ein Kriegsschiff...

BUTTERFLY
Ein weißes... ein weißes...
Und das Sternenbanner wehet von den Masten.
Sieh, es drehet und gehet vor Anker.
(Sie holt ein Fernglas vom Tisch.)
Stütze meine Hand,
Damit ich den Namen lese,
Den Namen, den Namen...
Siehst du wohl: Abraham Lincoln!
Ihr habt gelogen, alle, alle!
Die Liebe trügt nicht!
Freut dich nun noch
Dein läppischer Zweifel?
Da ist er!
Da ist er gekommen,
Grad' an dem Tage,
Wo man mir sagte:
Weine, verzweifle!
O herrlicher Sieg meiner Lieb', meiner Treu,
O Sieg der Liebe:
Er ist gekommen!
Schüttle alle Zweige dieses Kirschbaums,
Ich will Blüten um mich.
All dieser Blüten duftender Regen
Kühle die Stirn mir.

SUZUKI
Herrin, beruhigt Euch, ihr weint ja!

BUTTERFLY
Nein. Sieh nur, ich lache!
Müssen wir noch lang seiner harren?
Was meinst du - ,ne Stunde?

SUZUKI
Wohl mehr.

BUTTERFLY
Vielleicht zwei Stunden.
Alles, alles sei voll von Blumen,
Sowie die Nacht
Von lichten Sternen.
Geh doch, geh!

SUZUKI
Alle Blumen?

BUTTERFLY
Was da blühet - alles, alles:
Pfirsich, Veilchen, Rosmarin,
Alles, was blüht
An Strauch und Bäumen rings umher.

SUZUKI
Winterlich kahl und trübe
Wird es ausschau'n allhier.

BUTTERFLY
Ja, denn der ganze Frühling, hold
Blüh' und dufte er hier!

SUZUKI
Winterlich kahl und trübe
Wird es ausschau'n allhier.
So nehmet, Herrin.

BUTTERFLY
Pflücke nur weiter.

SUZUKI
Wie oft sah'n Euch die Blumen
In Meeresferne spähn, Tränen im Auge,
Weil nie sein Schiff sich zeigen wollt!

BUTTERFLY
Nun ist er gekommen,
Nichts von der See mehr wünsch' ich.
Tränen gab ich dem Boden,
Gebe er Blumen mir.

SUZUKI
Das ist alles.

BUTTERFLY
Das ist alles?
Komm' und hilf mir.

SUZUKI
Rosen an der Türschwelle.

BUTTERFLY
Ja, denn den ganzen Frühling über
Hold blüh' und dufte es hier!

BUTTERFLY und SUZUKI
Sehen wir rings um uns April.

SUZUKI
Lilien?! Veilchen?!

BUTTERFLY
Streu sie allenthalben.
Hier sein Sessel
Sei mit Kränzen rings umwunden.

BUTTERFLY und SUZUKI
Mit vollen Händen streu'n wir
Veilchen und Tuberosen,
Geranien und Verbenen,
Alles, was wonnig blüht!

BUTTERFLY
Nun schmücke mir das Haar.
Nein! Erst bringe das Kind her.
Wär' ich wie damals!
Allzuviel Seufzer entsandte die Brust;
Mein Auge blickte wohl
Allzu starr in die Ferne!
Röt' mir die Wangen
Ein wenig mit dem Pinsel...
Und auch hier unserm Kleinen
Soll nicht sein Antlitz
Vom langen Wachen
Allzu blaß erscheinen.

SUZUKI
Nun haltet stille,
Sonst kann ich das Haar Euch nicht kämmen.

BUTTERFLY
Was sie nun sagen,
Die Herrn Verwandten...

Sah'n sie doch alle
Froh meinen Schaden!
Und Yamadori hat mich verloren!
Blamiert sind sie alle, blamieret,
Die mich so drangsalieret!

SUZUKI
Bin fertig.

BUTTERFLY
Das Gewand, das ich als Braut trug.
O, welch Erinnern!
Wenn er mich so,
wie damals, wiedersieht.
Eine rote Mohnblum' ins Haar.
Wonne wird's ihm sein, so recht.
In den Sho'si mach ich drei kleine Löcher,
Um durchzuspähn!
Wir warten stille, wie drei kleine Mäuschen,
Bis wir ihn sehn.
(Butterfly führt das Kind bis zum Shosi, in den sie drei
Löcher macht - eines oben für sich, ein anderes weiter
unten für Suzuki und ein drittes ganz unten für das
Kind, welches aufmerksam hinausblickt. Butterfly stellt
sich vor das oberste Loch und blickt regungslos, starr
wie eine Bildsäule, hindurch. Es ist Nacht, der Mond
scheint durch den Shosi. In der Ferne hört man
Stimmen.)


Summ-Chor

(Morgendämmerung. Butterfly, noch immer regungslos,
blickt hinaus; das Kind schläft auf seinem Kissen, auch
Suzuki schläft, in sich zusammengekauert. Stimmen
von Matrosen ertönen von dem Hafen unten.)


STIMMEN VON MATROSEN (von fern)
Oh eh! Oh eh! Oh eh!

SUZUKI
Schon Morgen!
Cho-cho-san.

BUTTERFLY
Er kommt - du wirst es sehn!

SUZUKI
So gehet nun hinauf und gönnt Euch Ruhe.
Sobald er kommt, weck' ich Euch auf.

BUTTERFLY
Schlummre, mein Liebling,
Sanft an meinem Herz.
Du bist beim Herrgott,
Und ich bei meinem Schmerz.
Bist hell umstrahlt
Von lautrem Gold,
Liebling mein, schlummre!

SUZUKI
Ach, arme Butterfly!

BUTTERFLY
Schlummre, mein Liebling,
Sanft an meinem Herz.

Du bist beim Herrgott,
Und ich bei meinem Schmerz.

SUZUKI
Ach, arme Butterfly!
Wer's sein mag?
Oh!
(Pinkerton und Sharpless kommen herauf.)

PINKERTON
Stille! Stille! Weck' sie nicht auf!

SUZUKI
Sie war wirklich todmüde!
Sie wartete auf Euch
Die ganze Nacht hindurch, mit dem Kinde.

PINKERTON
Doch wie erfuhr sie... ?

SUZUKI
Es läuft wohl seit drei Jahren
Kein Schiff in den Hafen ein,
Das Butterfly von weitem nicht
Auf Flagge und Herkunft prüfte.

SHARPLESS (zu Pinkerton)
Ich sagt' es Euch!

SUZUKI
Ich ruf' sie.

PINKERTON
Nein - noch nicht!

SUZUKI
Seht das Zimmer -
Sie wollt' gestern abend
Alles voll von Blumen.

SHARPLESS
Hatt' ich recht?

PINKERTON
O Pein!

SUZUKI
Wer ist da draußen im Garten?
Eine Dame!

PINKERTON
Stille!

SUZUKI
Wer ist's? Wer ist's?

SHARPLESS
Laßt sie alles erfahren.

SUZUKI
Wer ist's? Wer ist's?

PINKERTON
Sie begleitet mich...

SUZUKI
Wer ist's? Wer ist's?

SHARPLESS
Seine Gattin!

SUZUKI
Heilige Seele der Ahnen!
Für die Kleine
Verlosch der Tag!

SHARPLESS
Wir wählten ja die frühe Stunde,
Allein mit dir zu reden, Suzuki,
Und eine Stütze
An dir zu gewinnen,
In all dem Leid!

SUZUKI
Was hülf' ich? Was hülf' ich?

SHARPLESS
Ich weiß, für solch ein Leid
Fehlt der Trost, fehlt die Lind'rung.
Doch des Knäbleins Zukunft
Müssen wir zu sichern streben!

PINKERTON
Oh! Der bittre Duft
Dieser toten Blumen
Ziehet giftig mir ins Herz.
Rings umher ist noch alles wie
Dazumal.

SHARPLESS
Dies nicht waget,
Hereinzutreten,
Nimmt sich des Kindes
Voll Liebe an.

SUZUKI
Oh, ich Arme! Ihr verlanget,
Ich soll an eine Mutter...
Das Ansinnen stellen...

SHARPLESS
Wohlan denn, rede mit jener Guten
Und geleite sie her!
Wenn auch Butterfly sie säh!,
Was verschlüg' es?
Besser wär' es wohl gar, wenn ihr Anblick schon
Die Wahrheit ihr offenbarte...
Komm, Suzuki, hör!

PINKERTON
Doch weht ein Schauer hindurch.
Mein altes Bildnis!...
Drei Jahre sind vergangen,
Und von drei langen Jahren
Zählt sie alle Tage
Und jede Stunde!
Ich kann hier nicht verweilen;
Sharpless Ihr kommt wohl nach.

SHARPLESS
Sagt ich's nicht voraus?

PINKERTON
Bietet ihr was als hilfreiche Gabe;
Wie quält mich die Reue!

SHARPLESS
Ich sagt' es Euch schon damals,
Als sie die Hand Euch reichte:

Gebt acht, sie glaubt Euch im Ernste,
Und wahr hab' ich gesagt.
Taub für jede Warnung,
Harrte sie ihres Eh'gemahls;
Liebend verschloß ihr Herze
Der Wahrheit sich.

PINKERTON
Oh, wie ich mein Vergehen
Nun voll und ganz erkenne,
So fühl' ich auch schon
Die Qualen der Reue
Ewig lasten auf mir! Oh!

SHARPLESS
So gehet denn!
Die bitt're Wahrheit
Wird bald ihr offenbart.

PINKERTON
Leb' wohl, mein Blütenreich!
Teure Stätte, lebe wohl!
Ewig wird mir im Herzen leuchten,
Niemals verblassen ihr Bild.

SHARPLESS
Aber nunmehr ahnt schon
Dieses reine Herz... Ich sagt' es, usw.

PINKERTON
Mich faßt der Reue Qual,
Nennt mich feig - ich flieh' von hier!
Du ewig teure Stätte, leb' wohl!

SHARPLESS
Die bitt're Wahrheit wird ihr offenbart. (Pinkerton eilt
hinaus. Kate und Suzuki kommen vom Garten herein.)


KATE
Willst du's ihr sagen?

SUZUKI
Ich versprech's Euch.
KATE
Und willst du sie bewegen,
Mir zu vertrauen?

SUZUKI
Ich versprech's Euch.

KATE
Und ihr Kind sei das meine!

SUZUKI
Ich glaub' Euch, doch richtet's ein,
Daß ich ihr allein zur Seite...
In der schlimmen Stunde!
Ich nur! Sie wird weinen und jammern!

BUTTERFLY
Suzuki! Suzuki! Sag, wo bist du!
Suzuki! Suzuki! Sag, wo bist du!

SUZUKI
Bin hier -
Am Beten, bin hier und mache

Ordnung... nein-
hört doch - hört, ach, bleibet...

BUTTERFLY
Er ist hier, er ist hier...
Ist er verborgen?
Doch wo? Doch wo?
Der Herr Konsul...
Und wo denn? Wo nur?
Er ist nicht da!
Eine Dame? Was will denn die hier?
Niemand redet!
Weshalb dies Weinen?
Nein, ich will keine Antwort...
Stille!
Es könnt' mich zu Tode treffen im Augenblick.
Du, Suzuki, du treue und gute -
Ach, weine nicht -
Die du so an mir hängst:
Sag ja, oder nein, sag's leise:
Lebt er?

SUZUKI
Ja.

BUTTERFLY
Doch er kommt
Nicht mehr?
Du wirst wissen! Wespe! Antwort' mir auf der Stelle!

SUZUKI
Nie wieder!

BUTTERFLY
Er ist doch angekommen?

SUZUKI
Ja.

BUTTERFLY
Oh! Diese Dame!
Warum kommt sie zu mir?
Was sie wohl wünschet?

SHARPLESS
Sie ist die schuldlose Ursach'
All Eures Leides...
Ihr verstehet wohl...

BUTTERFLY
Ha! 's ist sein Weib!
Alles endet nun!
Für mich gibt es nichts mehr! Oh!

SHARPLESS
Faßt Mut!

BUTTERFLY
Nun kommt man und verlangt
Von mir mein Kind!

SHARPLESS
Bringet Ihr doch für sein Wohl dies schwere Opfer!

BUTTERFLY
Ach, arme Mutter, arme Mutter!
Verzichten . . .aufs eigene Kind!
Er ist der Herr!
Und ich muß mich fügen.

KATE
Ach, könnt Ihr mir vergeben, Butterfly?

BUTTERFLY
Unter dem Bogen des Himmels
Kann an Glück sich kein Weib
Euch vergleichen. Seid immer glücklich;
Tragt keine Sorge um mich!

KATE
Ach, die arme Kleine!

SHARPLESS
Es greift mir ans Herz!

KATE
Ob's Kind sie uns wohl läßt?

BUTTERFLY
Ihm selber kann ich es geben,
Wenn er's zu holen kommet.
Ich erwart' Euch
In einer halben Stunde.

SUZUKI
Wie dem gefang'nen Vöglein die Flügel,
Also schlägt das kleine Herz!

BUTTERFLY
Viel zu hell ist es hier,
Zu hell und zu viel Frühling...
Schließ doch.
Das Kind, wo mag's sein?

SUZUKI
Beim Spiele. Ich bring's Euch.

BUTTERFLY
Laß es nur beim Spiel,
Geh, leist' ihm Gesellschaft.

SUZUKI
Ich bleib' bei Euch.

BUTTERFLY
Geh, geh! Muß ich befehlen? (Suzuki verläßt weinend
den Raum. Butterfly zündet vor dem Reliquienschrein
ein Licht an und kniet nieder Dann nimmt sie den
Dolch und küßt ihn. Sie liest die Worte, die in die Klinge
geritzt sind.)

„Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr
Leben kann in Ehren."
(Sie setzt das Messer von der Seite an die Gurgel, da
öffnet sich die linke Tür und man sieht den Arm
Suzukis, der das Kind zu seiner Mutter hin ins Zimmer
schiebt. - Butterfly läßt das Messer fallen, stürzt ihrem
Kinde entgegen und umarmt und küßt es fast zum
Ersticken.)

Du? Du?
Du kleiner Herrgott!
Du Herrgott meines Lebens,
Schön wie Lilien und Rosen!
Sollst es nie erfahren:
Für dich,
Für deine reinen Augen
Stirbt Butterfly,
Daß übers Meer du kannst
Ins andre Land ziehn,
Ohne daß dich bekümmert,

Wie ich dich einst verlassen.
Der mir vom goldnen Throne
Des Himmels hergesendet,
Blicke mir fest ins Antlitz,
Ach, ins Antlitz deiner Mutter,
Daß noch eine Spur dir bleibe...
Sieh mich an!
Leb' wohl, mein Herze! Leb' wohl,
Mein einziges Lieb!
Geh, spielen...spielen...
(Sie nimmt das Kind, setzt es auf eine Matte, verbindet
ihm leicht die Augen. In die Hände gibt sie ihm ein
amerikanisches Fähnchen. Dann geht sie hinter die
spanische Wand. Man hört das Messer fallen. Butterfly
stürzt zu Boden. Halb streckt ihr Körper sich vor die
spanische Wand. Sie schleppt sich bis zu dem Kind,
umarmt es. Dann fällt sie neben es. In diesem
Augenblick ist von draußen die Stimme Pinkertons zu
hören.)


STIMME PINKERTONS
Butterfly! Butterfly! Butterfly!
(Auf den Ruf wankt Butterfly hinter dem Wandschirm
hervor und versucht, sich zur rechten Tür
hinzuschleppen, wie um sie zu öffnen. Sie schleppt sich
wirklich noch bis zur Türe, aber dann ist ihre letzte
Kraft zu Ende: sie fällt zu Boden und stirbt.)


ENDE
 

 

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