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Die Walküre” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
Erster Aufzug

Vorspiel und erste Scene

(Der Vorhang geht auf.)
(Das Innere eines Wohnraumes: um einen starken
Eschen stamm, als Mittelpunkt, gezimmerter Saal.
Rechts im Vordergrunde der Herd; dahinter der
Speicher; im Hintergrunde die große Eingangsthüre:
links in der Tiefe führen Stufen zu einem inneren
Gemache; daselbst im Vordergrunde ein Tisch, mit
breiter Bank an die Wand gezimmert, dahinter, hölz-
erne Schemel davor.)

(Die Bühne bleibt eine Zeit lang leer; außen Sturm,
im Begriffe sich gänzlich zu legen.)

(Siegmund öffnet von außen die Eingangsthüre,
und tritt ein. Er hält den Riegel noch in der Hand, und
überblickt den Wohnraum; er scheint von über-
mässiger Anstrengung erschöpft; sein Gewand und
Aussehen zeigen, dass er sich auf der Flucht befinde.
Da er Niemand gewahrt, schließt er hintersich,
schreitet mit der äußersten Anstrengung eines Tod-
müden auf den Herd zu, und wirft sich dort auf eine
Decke von Bären fell nieder.)


Siegmund
Wess' Herd diess auch sei,
hier muß ich rasten.

(Er sinkt zurück, und bleibt regungslos ausgestreckt.)
(Sieglinde tritt aus der Thüre des inneren
Gemaches: Sie glaubte ihren Mann heimgekehrt; ihre
ernste Miene zeigt sich dann verwundert, als sie einen
Fremden am Herde ausgestreckt sieht.)


Sieglinde
(noch im Hintergrunde)
Ein fremder Mann? ihn muß ich fragen.
(Sie tritt näher.)
Wer kam in's Haus, und liegt dort am Herd?
(Da Siegmund sich nicht regt, tritt sie noch etwas
näher und betrachtet ihn.)

Müde liegt er von Weges Müh'n.
Schwanden die Sinne ihm? wäre er siech?
(Sie neigt sich zu ihm herab und lauscht.)
Noch schwillt ihm der Athem;
das Auge nur schloß er.
Muthig dünkt mich der Mann,
sank er müd' auch hin.

Siegmund
(fährt jäh' mit dem Haupt in die Höhe)
Ein Quell! ein Quell!

Sieglinde
Erquickung schaff ich.
(Sie nimmt schnell ein Trinkhorn und geht damit
aus dem Haus. Sie kommt zurück, und reicht das
gefüllte Trinkhorn Siegmund.)

Labung biet' ich dem lechzenden Gaumen:
Wasser, wie du gewollt!
(Siegmund trinkt, und reicht ihr das Horn zurück.
Als er ihr mit dem Haupte Dank zuwinkt, haftet sein
Blick mit steigender Theilnahme an ihren Mienen.)


Siegmund
Kühlende Labung gab mir der Quell,
des Müden Last machte er leicht:
erfrischt ist der Muth, das Aug' erfreut
des Sehens selige Lust.
Wer ist's, der so mir es labt?

Sieglinde
Dies Haus und diess Weib
sind Hundings Eigen;
gastlich gönn' er dir Rast:
harre bis heim er kehrt!

Siegmund
Waffenlos bin ich: dem wunden Gast
wird dein Gatte nicht wehren.

Sieglinde
(mit besorgter Hast)
Die Wunden weise mir schnell!
(Siegmund schüttelt sich und springt lebhaft vom
Lager zum Sitz auf.)


Siegmund
Gering sind sie, der Rede nicht werth;
noch fügen des Leibes Glieder sich fest.
Hätten halb so stark wie mein Arm
Schild und Speer mir gehalten,
nimmer floh' ich dem Feind;
doch zerschellten mir Speer und Schild.
Der Feinde Meute hetzte mich müd',
Gewitter-Brunst brach meinen Leib;
doch schneller als ich der Meute,
schwand die Müdigkeit mir:
sank auf die Lider mir Nacht,
die Sonne lacht mir nun neu.
(Sieglinde geht nach dem Speicher, füllt ein Horn
mit Meth, und reicht es Siegmund mit freundlicher Bewegt heit.)


Sieglinde
Des seimigen Methes süßen Trank
mög'st du mir nicht verschmäh'n.

Siegmund
Schmecktest du mir ihn zu?
(Sieglinde nippt am Horne, und reicht es ihm
wieder. Siegmund thut einen langen Zug, indem er
den Blick mit wachsender Wärme auf sie heftet. Er
setzt so das Horn ab, und läßt es langsam sinken,
während der Ausdruck seiner Miene in starke Ergriff-
en heit übergeht. Er seufzt t ief auf, und senkt den Blick
düster zu Boden.)

(mit bebender Stimme)
Einen Unseligen labtest du:
(lebhaft) Unheil wende der Wunsch von dir!
(Er bricht auf.)
Gerastet hab' ich und süß geruht:
weiter wend' ich den Schritt.
(Er geht nach hinten.)

Sieglinde
(lebhaft sich umwendend)
Wer verfolgt dich, daß du schon flieh'st?

Siegmund
(hat angehalten)
Mißwende folgt mir wohin ich fliehe;
Mißwende naht mir wo ich mich neige:
dir Frau doch bleibe sie fern!
fort wend' ich Fuß und Blick.
(Er schreitet schnell bis zur Thüre und hebt den Riegel.)

Sieglinde
(in heftigem Selbstvergessen ihm nachrufend)
So bleibe hier!
Nicht bringst du Unheil dahin,
wo Unheil im Hause wohnt!
(Siegmund bleibt tief erschüttert stehen; er forscht
in Sieglindes Mienen; diese schlägt verschämt und
traurig die Augen nieder. Siegmund kehrt zurück.)


Siegmund
Wehwalt hieß ich mich selbst:
Hunding will ich erwarten.
(Er lehnt sich an den Herd: sein Blick haftet mit
ruhiger und entschlossener Theilnahme an Sieglinde:
diese hebt langsam das Auge wieder zu ihm auf;
Beide blicken sich, in langem Schweigen, mit dem
Ausdruck tiefster Ergriffenheit, in die Augen.)


Zweite scene

(Sieglinde fährt plötzlich auf, lauscht, und hört
Hunding, der sein Roß außen zum Stalle führt. Sie
geht hastig zur Thüre und öffnet. Hunding, gewaffnet
mit Schild und Speer, tritt ein, und hält unter der
Thüre, als er Siegmund gewahrt. Hunding wendet
sich mit einem ernst fragenden Blick an Sieglinde.)


Sieglinde
(dem Blick Hundings entgegnend)
Müd' am Herd fand ich den Mann:
Noth führt' ihn ins Haus.

Hunding
Du labtest ihn?

Sieglinde
Den Gaumen letzt' ich ihm;
gastlich sorgt' ich sein!

Siegmund
(der ruhig und fest Hunding beobachtet)
Dach und Trank dank' ich ihr:
willst du dein Weib drum schelten?

Hunding
Heilig ist mein Herd:
heilig sei dir mein Haus!
(Er legt seine Waffen ab, und übergiebt sie Sieglinde.)
(zu Sieglinde)
Rüst uns Männern das Mahl!
(Sieglinde hängt die Waffen an Ästen des Eschen-
stammes auf, dann holt sie Speise und Trank aus
dem Speicher und rüstet auf dem Tische das Nachtmahl.)

(Unwillkürlich heftet sie wieder den Blick auf
Siegmund.)

(Hunding mißt scharf und verwundert Siegmunds
Züge, die er mit denen seiner Frau vergleicht.)

(für sich) Wie gleicht er dem Weibe!
Der gleißende Wurm
glänzt auch ihm aus dem Auge.
(Er birgt sein Befremden, und wendet sich wie
unbefangen zu Siegmund.)

Weit her, traun! kamst du des Wegs;
ein Roß nicht ritt, der Rast hier fand:
welch' schlimme Pfade schufen dir Pein?

Siegmund
Durch Wald und Wiese,
Heide und Hain,
jagte mich Sturm und starke Noth:
nicht kenn' ich den Weg, den ich kam.
Wohin ich irrte, weiß ich noch minder:
Kunde gewänn' ich dess' gern.

Hunding
(am Tische, und Siegmund den Sitz bietend)
Dess' Dach dich deckt, dess' Haus dich hegt,

Hunding heißt der Wirth;
wendest von hier du nach West den Schritt,
in Höfen reich hausen dort Sippen,
die Hundings Ehre behüten:
gönnt mir Ehre mein Gast,
wird sein Name nun mir gennant.
(Siegmund, der sich am Tische niedergesetzt, blickt
nachdenklich vor sich hin. Sieglinde, die sich neben
Hunding, Siegmund gegenüber gesetzt, heftet ihr
Auge mit auffallender Theilnahme und Spannung
auf diesen.)

(der Beide beobachtet)
Träg'st du Sorge mir zu vertrau'n,
der Frau hier gib doch Kunde:
sieh, wie gierig sie dich frägt!

Sieglinde
(unbefangen und theilnahmsvoll)
Gast, wer du bist, wüßt' ich gern.
(Siegmund blickt auf, sieht ihr in das Auge, und
beginnt ernst.)


Siegmund
Friedmund darf ich nicht heißen;
Frohwalt möcht' ich wohl sein:
doch Wehwalt muß ich mich nennen.
Wolfe, der war mein Vater;
zu zwei kam ich zur Welt,
eine Zwillings Schwester und ich.
Früh schwanden mir Mutter und Maid;
die mich gebar, und die mit mir sie barg,
kaum hab' ich je sie gekannt.
Wehrlich und stark war Wolfe;
der Feinde wuchsen ihm viel.
Zum Jagen zog mit dem Jungen der Alte;
von Hetze und Harst
einst kehrten wir heim,
da lag das Wolfsnest leer.
Zu Schutt gebrannt der prangende Saal,
zum Stumpf der Eiche blühender Stamm;
erschlagen der Mutter muthiger Leib,
verschwunden in Gluthen der Schwester Spur:
uns schuf die herbe Noth
der Neidinge harte Schaar.
Geächtet floh der Alte mit mir;
lange Jahre lebte der Junge mit Wolfe im wilden
Wald:
manche Jagd ward auf sie gemacht;
doch muthig wehrte das Wolfspaar sich.
(zu Hunding gewandt)
Ein Wölfing kündet dir das,
den als "Wölfing" mancher wohl kennt.

Hunding
Wunder und wilde Märe
kündest du, kühner Gast,
Wehwalt der Wölfing!

Mich dünkt, von dem wehrlichen Paar
vernahm ich dunkle Sage,
kannt' ich auch Wolfe und Wölfing nicht.

Sieglinde
Doch weiter künde, Fremder:
wo weilt dein Vater jetzt?

Siegmund
Ein starkes Jagen auf uns
stellten die Neidinge an:
der Jäger viele fielen den Wölfen,
in Flucht durch den Wald
trieb sie das Wild;
wie Spreu zerstob uns der Feind.
Doch ward ich vom Vater versprengt;
seine Spur verlor ich, je länger ich forschte:
eines Wolfes Fell nur traf ich im Forst;
leer lag das vor mir, den Vater fand ich nicht.
Aus dem Wald trieb es mich fort;
mich drängt' es zu Männern und Frauen.
Wie viel ich traf, wo ich sie fand,
ob ich um Freund, um Frauen warb,
immer doch war ich geächtet:
Unheil lag auf mir.
Was rechtes je ich rieth,
andern dünkte es arg,
was schlimm immer mir schien,
andern gaben ihm Gunst.
In Fehde fiel ich wo ich mich fand,
Zorn traf mich wohin ich zog;
gehrt' ich nach Wonne, weckt' ich nur Weh':
drum mußt' ich mich Wehwalt nennen;
des Wehes waltet ich nur.
(Er sieht zu Sieglinde auf und gewahrt ihren theil-
nehmenden Blick.)


Hunding
Die so leidig Los dir beschied,
nicht liebte dich die Norn':
froh nicht grüßt dich der Mann,
dem fremd als Gast du nah'st.

Sieglinde
Feige nur fürchten den der waffenlos
einsam fährt!
Künde noch, Gast, wie du im Kampf
zu letzt die Waffe verlor'st?

Siegmund
Ein trauriges Kind rief mich zum Trutz:
vermählen wollte der Magen Sippe
dem Mann ohne Minne die Maid.
Wider den Zwang zog ich zum Schutz,
der Dränger Troß traf ich im Kampf:
dem Sieger sank der Feind.
Erschlagen lagen die Brüder:
die Leichen umschlang da die Maid,
den Grimm verjagt' ihr der Gram.
Mit wilder Thränen Fluth
betroff sie weinend die Wal;
um des Mordes der eignen Brüder klagte die
unsel'ge Braut.
Der Erschlag'nen Sippen stürmten daher;
übermächtig ächzten nach Rache sie;
rings um die Stätte ragten mir Feinde.

Doch von der Wal wich nicht die Maid;
mit Schild und Speer schirmt' ich sie lang',
bis Speer und Schild im Harst mir zerhau'n.
Wund und waffenlos stand ich;
sterben sah ich die Maid:
mich hetzte das wüthende Heer;
auf den Leichen lag sie todt.
(mit einem Blicke voll schmerzlichen Feuers auf Sieglinde)
Nun weißt du, fragende Frau,
warum ich Friedmund nicht heiße!
(Er steht auf, und schreitet auf den Herd zu.
Sieglinde blickt erbleichend und tief erschüttert zu Boden.)


Hunding
(erhebt sich)
Ich weiß ein wildes Geschlecht,
nicht heilig ist ihm was andern hehr:
verhaßt ist es Allen und mir.
Zur Rache ward ich gerufen,
Sühne zu nehmen für Sippen Blut:
zu spät kam ich, und kehrte nun heim,
des flücht'gen Frevlers Spur
im eig'nen Haus zu erspäh'n.
(Er geht herab.)
Mein Haus hütet, Wölfing, dich heut';
für die Nacht nahm ich dich auf:
mit starker Waffe doch wehre dich morgen;
zum Kampfe kies' ich den Tag:
für Todte zahlst du mir Zoll.
(Sieglinde schreitet mit besorgter Gebärde zwisch-
en die beiden Männer vor.)

(barsch) Fort aus dem Saal! säume hier nicht!
Den Nachttrunk rüste mir drin,
und harre mein' zur Ruh'.
(Sieglinde steht eine Weile unentschieden und
sinnend. Sie wendet sich langsam und zögernden
Schrittes nach dem Speicher. Dort hält sie wieder an
und bleibt, in Sinnen verloren, mit halb abgewandt-
em Gesicht stehen. Mit ruhigem Entschluß öffnet sie
den Schrein, füllt ein Trinkhorn, und schüttet aus
einer Büchse Würze hinein. Dann wendet sie das
Auge auf Siegmund, um seinem Blicke zu begegnen,
den dieser fortwährend auf sie heftet.)

(Sie gewahrt Hundings Spähen und wendet sich
sogleich zum Schlafgemach. Auf den Stufen kehrt sie
sich noch einmal um, heftet das Auge sehnsuchtsvollauf Siegmund, und deutet mit ihrem Blicke an-
dauernd und mit sprechender Bestimmtheit auf eine Stelle am Eschenstamme.)

(Hunding fährt auf, und treibt sie mit einer
heftigen Gebärde zum Fortgehen an.)

(Mit einem letzten Blick auf Siegmund, geht sie in
das Schlafgemach, und schließt hinter sich die Thüre.)

(nimmt seine Waffen vom Stamme herab)
Mit Waffen wehrt sich der Mann.
(Im Abgehen sich zu Siegmund wendend.)
Dich Wölfing treffe ich morgen:
mein Wort hörtest du, hüte dich wohl!
(Er geht in das Gemach; man hört ihn von innen
den Riegel schließen.)


Dritte Scene

(Siegmund allein. Es ist vollständig Nacht ge-
worden; der Saal ist nur noch von einem schwachen
Feuer im Herde erhellt.)

(Siegmund läßt sich, nah beim Feuer, auf dem
Lager nieder, und brütet in großer innerer Aufregung
eine Zeitlang schweigend vor sich hin).


Siegmund
Ein Schwert verhieß mir der Vater,
ich fänd' es in höchster Noth.
Waffenlos fiel ich in Feindes Haus;
seiner Rache Pfand, raste ich hier:
ein Weib sah' ich, wonnig und hehr:
entzückend Bangen zehrt mein Herz.
Zu der mich nun Sehnsucht zieht,
die mit süßem Zauber mich sehrt,
im Zwange hält sie der Mann,
der mich wehrlosen höhnt.
Wälse! Wälse! Wo ist dein Schwert?
Das starke Schwert,
das im Sturm ich schwänge,
bricht mir hervor aus der Brust,
was wüthend das Herz noch hegt?

(Das Feuer bricht zusammen; es fällt aus der auf-
sprühenden Gluth plötzlich ein greller Schein auf die
Stelle des Eschenstammes, welche Sieglindes Blick
bezeichnet hatte, und an der man jetzt deutlich einen
Schwertgriff haften sieht.)


Was gleißt dort hell im Glimmerschein?
Welch' ein Strahl bricht aus der Esche Stamm,
Des Blinden Auge leuchtet ein Blitz:
lustig lacht da der Blick.
Wie der Schein so hehr das Herz mir sengt!
Ist es der Blick der blühenden Frau,
den dort haftend sie hinter sich ließ,
als aus dem Saal sie schied?
(Von hier an verglimmt das Herdfeuer allmählich.)
Nächtiges Dunkel deckte mein Aug',
ihres Blickes Strahl streifte mich da:
Wärme gewann ich und Tag.
Selig schien mir der Sonne Licht;
den Scheidel umgliß mir ihr wonniger Glanz,
bis hinter Bergen sie sank.
(Ein neuer schwacher Aufschein des Feuers.)
Noch einmal, da sie schied,
traf mich Abends ihr Schein;
selbst der alten Esche Stamm
erglänzte in gold'ner Gluth:
da bleicht die Blüthe, das Licht verlischt;
nächtiges Dunkel deckt mir das Auge:
tief in des Busens Berge glimmt nur noch
lichtlose Gluth.
(Das Feuer ist gänzlich verloschen: volle Nacht.)
(Das Seitengemach öffnet sich leise. Sieglinde, in
weißem Gewande, tritt heraus und schreitet leise,
doch rasch, auf den Herd zu.)


Sieglinde
Schläfst du, Gast?

Siegmund
(freudig überrascht)
Wer schleicht daher?

Sieglinde
(mit geheimnißvoller Hast)
Ich bin's: höre mich an!
In tiefem Schlaf liegt Hunding;
ich würzt' ihm betäubenden Trank:
nütze die Nacht dir zum Heil!

Siegmund
(hitzig unterbrechend)
Heil macht mich dein Nah'n!

Sieglinde
Eine Waffe lass' mich dir weisen:
o wenn du sie gewänn'st!
Den hehr'sten Helden dürft' ich dich heißen:
dem Stärksten allein ward sie bestimmt.
O merke wohl, was ich dir melde!
Der Männer Sippe saß hier im Saal,
von Hunding zur Hochzeit geladen:
er freite ein Weib,
das ungefragt Schächer ihm schenkten zur Frau.
Traurig saß ich während sie tranken;
ein Fremder trat da herein:
ein Greis in grauem Gewand;
tief hing ihm der Hut,
der deckt' ihm der Augen eines;
doch des andren Strahl, Angst schuf es allen,
traf die Männer sein mächtiges Dräu'n:
mir allein weckte das Auge süß sehnenden
Harm,
Thränen und Trost zugleich.
Auf mich blickt' er, und blitzte auf Jene,
als ein Schwert in Händen er schwang;

das stieß er nun in der Esche Stamm,
bis zum Heft haftet' es drin:
dem sollte der Stahl geziemen,
der aus dem Stamm es zög'.
Der Männer Alle, so kühn sie sich mühten,
die Wehr sich Keiner gewann;
Gäste kamen und Gäste gingen,
die Stärk'sten zogen am Stahl ...
keinen Zoll entwich er dem Stamm:
dort haftet schweigend das Schwert.
Da wußt' ich wer der war,
der mich gramvolle gegrüßt: ich weiß auch,
wem allein im Stamm das Schwert er bestimmt.
O fänd ich ihn heut' und hier, den Freund;
käm' er aus Fremden zur ärmsten Frau:
was je ich gelitten in grimmigem Leid,
was je mich geschmerzt in Schande und Schmach,
süßeste Rache sühnte dann Alles!
Erjagt hätt' ich was je ich verlor,
was je ich beweint wär' mir gewonnen,
fänd' ich den heiligen Freund,
umfing' den Helden mein Arm!

Siegmund
(mit Gluth Sieglinde umfassend)
Dich selige Frau hält nun der Freund,
dem Waffe und Weib bestimmt!
Heiß in der Brust brennt mir der Eid,
der mich dir Edlen vermählt.
Was je ich ersehnt ersah ich in dir;
in dir fand ich was je mir gefehlt!
Littest du Schmach, und schmerzte mich Leid;
war ich geächtet, und warst du entehrt:
freudige Rache lacht nun den Frohen!
Auf lach' ich in heiliger Lust,
halt' ich dich Hehre umfangen,
fühl' ich dein schlagendes Herz!
(Die große Thüre springt auf.)

Sieglinde
Ha, wer ging? wer kam herein?
(Die Thüre bleibt geöffnet: außen herrliche Früh-
lings nacht; der Vollmond leuchtet herein, und wirft
sein helles Licht auf das Paar, das so sich plötzlich in
voller Deutlichkeit wahrnehmen kann.)


Siegmund
(in leiser Entzückung)
Keiner ging, doch Einer kam:
siehe, der Lenz lacht in den Saal!
(Siegmund zieht Sieglinde mit sanfter Gewalt zu
sich auf das Lager, so daß sie neben ihm zu sitzen
kommt. Wachsende Helligkeit des Mondscheines.)

Winterstürme wichen dem Wonnemond,
in mildem Lichte leuchtet der Lenz;
auf linden Lüften, leicht und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt;
durch Wald und Auen weht sein Athem,
weit geöffnet lacht sein Aug':
aus sel'ger Vöglein Sange süß ertönt,
holde Düfte haucht er aus:
seinem warmen Blut entblühen wonnige
Blumen,
Keim und Sproß entspringt seiner Kraft.
Mit zarter Waffen Zier bezwingt er die Welt;
Winter und Sturm wichen der starken Wehr:
wohl mußte den tapfern Streichen
die strenge Thüre auch weichen,
die trotzig und starr uns trennte von ihm.
Zu seiner Schwester schwang er sich her;
die Liebe lockte den Lenz:
in uns'rem Busen barg sie sich tief;
nun lacht sie selig dem Licht.
Die bräutliche Schwester befreite der Bruder;
zertrümmert liegt was je sie getrennt;
jauchzend grüßt sich das junge Paar:
vereint sind Liebe und Lenz!

Sieglinde
Du bist der Lenz
nach dem ich verlangte
in frostigen Winters Frist.
Dich grüßte mein Herz mit heiligem Grau'n,
als dein Blick zuerst mir erblühte.
Fremdes nur sah ich von je,
freundlos war mir das Nahe;
als hätt' ich nie es gekannt,
war was immer mir kam.
Doch dich kannt ich deutlich und klar:
als mein Auge dich sah, warst du mein Eigen:
was im Busen ich barg, was ich bin,
hell wie der Tag taucht' es mir auf,
wie tönender Schall schlug's an mein Ohr,
als in frostig öder Fremde
zuerst ich den Freund ersah.
(Sie hängt sich entzückt an seinen Hals, und blickt
ihm nahe in's Gesicht.)


Siegmund
(mit Hingerissenheit)
O süßeste Wonne! seligstes Weib!

Sieglinde
(dicht an seinen Augen)
O laß in Nähe zu dir mich neigen,
daß hell ich schaue den hehren Schein,
der dir aus Aug' und Antlitz bricht,
und so süß die Sinne mir zwingt.

Siegmund
Im Lenzesmond
leuchtest du hell;
hehr umwebt dich das Wellenhaar:

was mich berückt errath' ich nun leicht
denn wonnig weidet mein Blick.

Sieglinde
(schlägt ihm die Locken von der Stirn
zurück und betrachtet ihn staunend)

Wie dir die Stirn so offen steht,
der Adern Geäst in den Schläfen sich schlingt!
Mir zagt es vor der Wonne die mich entzückt!
Ein Wunder will mich gemahnen:
den heut' zuerst ich erschaut,
mein Auge sah dich schon!

Siegmund
Ein Minnetraum gemahnt auch mich:
in heißem Sehnen sah ich dich schon!

Sieglinde
Im Bach erblickt' ich mein eigen Bild,
und jetzt gewahr' ich es wieder:
wie einst dem Teich es enttaucht,
bietest mein Bild mir nun du!

Siegmund
Du bist das Bild, das ich in mir barg.

Sieglinde
(den Blick schnell abwendend)
O still! laß mich der Stimme lauschen:
mich dünkt, ihren Klang hört' ich als Kind—
doch nein! ich hörte sie neulich,
(aufgeregt) als meiner Stimme Schall
mir wiederhallte der Wald.

Siegmund
O lieblichste Laute, denen ich lausche!

Sieglinde
(ihm wieder in die Augen spähend)
Deines Auges Gluth erglänzte mir schon:
so blickte der Greis grüßend auf mich,
als der Traurigen Trost er gab.
An dem Blick erkannt' ihn sein Kind;
schon wollt' ich beim Namen ihn nennen!
(einhaltend)
Wehwalt heißt du fürwahr?

Siegmund
Nicht heiß' mich so, seit du mich liebst:
nun walt' ich der hehrsten Wonnen!

Sieglinde
Und Friedmund darfst du froh dich
nicht nennen?

Siegmund
Heiße mich du,
wie du liebst daß ich heiße:
den Namen nehm' ich von dir!

Sieglinde
Doch nanntest du Wolfe den Vater?

Siegmund
Ein Wolf war er feigen Füchsen!
Doch dem so stolz strahlte das Auge,
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt, der war:
Wälse genannt.

Sieglinde
(außer sich)
War Wälse dein Vater, und bist du ein Wälsung,
stieß er für dich sein Schwert in den Stamm,
so laß mich dich heißen, wie ich dich liebe:

Siegmund, so nenn' ich dich!

Siegmund
(springt auf)
Siegmund heiß' ich und Siegmund bin ich!
bezeug' es diess Schwert, das zaglos ich halte!
Wälse verhieß mir, in höchster Noth
fänd' ich es einst: ich faß' es nun!
Heiligster Minne höchste Noth,
sehnender Liebe sehnende Noth,
brennt mir hell in der Brust,
drängt zu That und Tod:
Nothung! Nothung! so nenn' ich dich, Schwert.
Nothung! Nothung! neidlicher Stahl!
Zeig' deiner Schärfe schneidenden Zahn!
heraus aus der Scheide zu mir!
(Siegmund zieht mit einem gewaltigen Zuck das
Schwert aus dem Stamme, und zeigt es der von
Staunen und Entzücken erfaßten Sieglinde.)

Siegmund, den Wälsung, siehst du, Weib!
Als Brautgabe bringt er diess Schwert:
so freit er sich die seligste Frau;
dem Feindeshaus entführt er dich so.
Fern von hier folge mir nun,
fort in des Lenzes lachendes Haus:
dort schützt dich Nothung das Schwert,
wenn Siegmund dir liebend erlag!
(Er hat sie umfaßt, um sie mit sich fort zu ziehen.)

Sieglinde
(reißt sich in höchster Trunkenheit von ihm
los und stellt sich ihm gegenüber)

Bist du Siegmund, den ich hier sehe,
Sieglinde bin ich, die dich ersehnt:
die eigne Schwester gewannst du zu eins
mit dem Schwert!
(Sie wirft sich ihm an die Brust.)

Siegmund
Braut und Schwester
bist du dem Bruder
so blühe denn, Wälsungen Blut!
(Erzieht sie mit wüthender Gluth an sich. Der Vor-
hang fällt schnell.)


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