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Tannhäuser” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE
Die Bühne stellt das Innere des Venusberges (Hörselberges bei Eisenach) dar. Weite Grotte, welche sich im Hintergrunde durch eine Biegung nach rechts wie unabsehbar dahinzieht. Aus einer zerklüften Öffnung, durch welche mattes Tageslicht hereinscheint, stürzt sich die ganze Höhe der Grotte entlang ein grünlicher Wasserfall herab, wild über Gestein schäumend; aus dem Becken welches das Wasser auffängt, fliesst nach dem ferneren Hintergrunde der Bach hin, welcher dort sich zu einem See sammelt, in welchem man die Gestalten badender Najaden und an dessen Ufern gelagerte Sirenen gewahrt. Zu beiden Seiten der Grotte Felsenvorsprünge von unregelmässiger From, mit wunderbaren, korallenartigen, tropischen Gewächsen bewachen. Vor einer nach links aufwärts sich dehnenden Grottenöffnung, aus welcher ein zarter rosinger Dämmer herausscheint liegt im Vordergrunde Venus auf einem reichen Lager, vor ihr, das Haupt in ihrem Schosse, die Harfe zur Seite, Tannhäuser, halb knieend. Das Lager umgeben, in reizender Verschlingung gelagert, die drei Grazien. Zur Seite und hinter dem Lager zahlreiche schlafende Amoretten, wild über und nebeneinander gelagert, einen verworrenen Knäuel bilden, wie Kinder, die, von einer Balgerei ermattet, eingeschlafen sind. Der ganze Vordergrund ist von einem zauberhaften, von unter her durchscheinenden, rötlichen Lichte beleuchtet, durch welches das Smaragdgrün des Wasserfalles, mit dem Weiss seiner schäumenden Wellen, stark durchbricht. Der ferne Hintergrund mit den Seeufern ist von einem verklärt blauen Duffe mondscheinartig erhellt. - Beim Aufzuge des Vorhanges sind, auf den erhöhten Vorsprüngen bei Bechern, noch die Jünglinge gelagert, welche jetzt sofort den verlockenden Winken der Nymphen folgen und zu diesen hinabeilen; die Nymphen hatten um das schäumende Becken des Wasserfalles den auffordernden Reigen begonnen, welcher die Jünglinge zu ihnen führen sollte: die Paare finden und mischen sich; Suchen, Fliehen und reizendes Necken beleben den Tanz. Aus dem fernen Hintergrunde naht ein Zug von Bacchantinnen, welcher durch die Reihen der liebenden Paare, zu wilder Lust auffordernd, daherbraust. Durch Gebärden begeisterter Trunkenheit reizen die Bacchantinnen die Liebenden zu wachsender Ausgelassenheit auf. Die Berauschten stürzen sich in brünstige Liebesumarmungen. Satyre und Faune sind aus den Klüften erschienen und drängen sich jetzt mit ihrem Tanze zwischen die Bacchanten und liebenden, Paare. Sie vermehren durch ihre Jagd auf die Nymphen die Verwirrung; der allgemeine Taumel steigert sich zur höchsten Wut. Hier, beim Ausbruch der höchsten Raserei, erheben sich entsetzt die drei Grazien. Sie suchen den Wütenden Einhalt zu tun und sie zu entfernen. Machtlos fürchten sie selbst mit fortgerissen zu werden: sie wenden sich zu den schlafenden Amoretten, rütteln sie auf und jagen sie in die Höhe. Diese flattern wie eine Schar Vögel aufwärts auseinander, nehmen in der Höhe, wie in Schlachtordnung, den ganzen Raum der Höhle ein und schiessen von da herab einen unaufhörlichen Hagel von Pfeilen auf das Getümmel in der Tiefe. Die Verwundeten lassen, von mächtigem Liebessehnen ergriffen, vom rasenden Tanze ab und sinken in Ermattung. Die Grazien bemächtigen sich der Verwundeten und suchen, indem sie die Trunkenen zu Paaren fügen, sie mit sanfter Gewalt nach dem Hintergrunde zu zerstreuen. Dort nach den verschiedensten Richtungen hin, entfernen sich, teils auch von der Höhe herab durch die Amoretten verfolgt, die Bacchanten, Faunen, Satyren, Nymphen und Jünglinge. Ein immer dichterer rosiger Duft senkt sich herab: in ihm verschwinden zuerst die Amoretten, dann bedeckt er den ganzen Hintergrund, so dass endlich, ausser Venus und Tannhäuser, nur noch die drei Grazien sichtbar zurückbleiben. Diese wenden sich jetzt nach dem Vordergrunde zurück; in anmutigen Verschlingungen nahen sie sich Venus, ihr gleichsam von dem Siege berichtend, den sie über die wilden Leidenschaften der Untertanen ihres Reiches gewonnen. Venus blickt dankend zu ihnen. (Der dichte Duft im Hintergrunde zerteilt sich: ein Nebelbild zeigt die Entführung der Europa, welche auf dem Rücken des mit Blumen geschmückten weissen Stieres, von Tritonen und Nereïden geleitet, durch das blaue Meer dahinfährt)

CHOR DER SIRENEN
(unsichtbar)
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erbarmen
still' eure Triebe!
Der rosige Duft schliesst sich wieder, das Bild verschwindet, und die Grazien deuten nun durch einen anmutigen Tanz den geheimnisvollen Inhalt des Bildes als ein Werk der Liebe an. Von neuem teilt sich der Duft. Man erblickt in sanfter Mondesdämmerung Leda am Waldesteiche ausgestreckt; der Schwan schwinmmt auf sie zu und birgt schmeichelnd seinen Hals an ihrem Busen

CHOR DER SIRENEN
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!
Allmählich verbleicht auch dieses Bild. Der Duft verzieht sich endlich ganz und zeigt die ganze Grotte einsam und still. Die Grazien verneigen sich schelmisch vor Venus und entfernen sich langsam nach der Liebesgrotte. Tiefste Ruhe. Unveränderte Gruppe der Venus und Tannhäusers.

ZWEITE SZENE
(Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem Traume auf. - Venus zieht ihn schmeichelnd zurück)
(Tannhäuser führt die Hand über die Augen, als suche er ein Traumbild festzuhalten)

VENUS
(sehr ruhig)
Geliebter, sag, wo weilt dein Sinn?

TANNHÄUSER
(schnell)
Zu viel! Zu viel!

(langsamer und leise)

O, dass ich nun erwachte!

VENUS
(ruhig und schmeichelnd)
Sag mir, was dich mühet!

TANNHÄUSER
Im Traum war mir's als hörte ich -
was meinem Ohr so lange fremd! -
als hörte ich der Glocken frohes Geläute!
O sag, wie lange hört' ich's doch nicht mehr?

VENUS
(wie vorher)
Was fasst dich an?
Wohin verlierst du dich?

(Sie führt die Hand sanft
über seine Stirne)


TANNHÄUSER
(schwermütig)
Die Zeit, die hier ich verweil',
ich kann sie nicht ermessen:
Tage, Monde gibt's für mich nicht mehr;
denn nicht mehr sehe ich die Sonne,
nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne;
den Halm seh' ich nicht mehr, der frisch ergrünend
den neuen Sommer bringt;
die Nachtigall hör' ich nicht mehr,
die mir den Lenz verkünde.
Hör' ich sie nie, seh' ich sie niemals mehr?

VENUS
(mit ruhiger Verwunderung)
Ha! Was vernehm' ich? Welch' tör'ge Klagen!
Bist du so bald der holden Wunder müde,
die meine Liebe dir bereitet?
Oder wie? könnt'ein Gott zu sein so sehr dich reu'n?
Hast du so bald vergessen, wie du einst
gelitten, während jetzt du dich erfreust?

(Sie erhebt sich)

Mein Sänger, auf!
(Sie nimmt die Harfe
und hält sie ihm vor)


Auf, und ergreif' deine Harfe;
die Liebe fei're, die so herrlich du besingst,
dass du der Liebe Göttin selber dir gewannst!
Die Liebe fei're, da ihr höchster Preis dir ward!

TANNHÄUSER
(zu einem plözlichen Entschlusse
ermannt, ergreift seine Harfe und stellt
sich feierlich vor Venus hin)


Dir töne Lob! die Wunder sei'n gepriesen,
die deine Macht mir Glücklichem erschuf!
Die Wonnen süss, die deiner Huld entspriessen,
erheb' mein Lied in lautem Jubelruf!
Nach Freude, ach! nach herrlichem Geniessen
verlangt' mein Herz, es dürstete mein Sinn:
da, was nur Göttern einstens du erwiesen,
gab deine Gunst mir Sterblichem dahin.
Doch sterblich, ach! bin ich geblieben,
und übergross ist mir dein Lieben;
wenn stets ein Gott geniessen kann,
bin ich dem Wechsel untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn'ich mich nach Schmerzen.
Aus deinem Reiche muss ich fliehn,
o Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!

VENUS
(wie aus einem Traume erwachend)
Was muss ich hören? Welch ein Sang!
Welch trübem Ton verfällt dein Lied?
Wohin floh die Begeistrung dir,
die Wonnesang dir nur gebot?
Was ist's? Worin war meine Liebe lässig.
Geliebter, wessen klagest du mich an?

TANNHÄUSER
Dank deiner Huld, gepriesen sei dein Lieben!
Beglückt für immer, wer bei dir geweilt!
Ewig beneidet, wer mit warmen Trieben
in deinen Armen Götterglut geteilt!
Entzückend sind die Wunder deines Reiches,
die Zauber aller Wonnen atm' ich hier;
kein Land der weiten Erde bietet Gleiches,
was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir.
Doch ich aus diesen ros'gen Düften
verlange nach des Waldes Lüften,
nach unsres Himmels klarem Blau,
nach unserm frischen Grün der Au',
nach unsrer Vöglein liebem Sange,
nach unsrer Glocken trautem Klange:
aus deinem Reiche muss ich fliehn!
O Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!

VENUS
(von ihrem Lager aufspringend)
Treuloser! weh! was lässest du mich hören?
Du wagest meine Liebe zu verhöhnen?
Du preisest sie, und willst sie dennoch fliehn?
Zum Überdruss ist mir mein Reiz gediehn?

TANNHÄUSER
Ach schöne Göttin, wolle mir nicht zürnen!

VENUS
Zum Überdruss ist die mein Reiz gediehn?

TANNHÄUSER
Dein übergrosser Reiz ist's, den ich fliehe!

VENUS
Weh dir! Verräter! Heuchler! Undankbarer!
Ich lass' dich nicht! du darfst nicht von mir ziehen!

TANNHÄUSER
Nie war mein Lieben grösser, niemals wahrer,
Als jetzt, da ich für ewig dich muss fliehn! (Venus hat sich mit einem Schrei abgewandt, ihr Gesicht in den Händen bergend. - Langes Stillschweigen)
(Dann sucht sie allmählich wieder Tannhäuser Blick, dem sie plötzlich mit verführerischem Lächeln sich zuwendet) (Auf ihren Wink erscheint eine zauberische Grotte auf welche sie deuten)

VENUS
(mit leiser Stimme beginnend)
Geliebter, komm! sieh dort die Grotte,
von ros'gen Düften mild durchwallt;
Entzücken böt' selbst einem Gotte
der süss'sten Freuden Aufenthalt!
Besänftigt auf dem weichsten Pfühle,
flieh' deine Glieder jeder Schmerz;
dein brennend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durchschwelle dein Herz!

(Indem sie ihn sanft nach sich zu ziehen sucht)
Komm, süsser Freund, komm, folge mir! komm!

CHOR DER SIRENEN
(unsichtbar)
Naht euch dem Strande!

VENUS
Aus holder Ferne mahnen süsse Klänge,
dass dich mein Arm in trauter Näh' umschlänge;
von meinen Lippen, aus meinen Blicken,
schlürfst du den Göttertrank,
strahlt dir der Liebesdank:
ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier lass uns froh begehen;
nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn:
mit der Liebe Göttin schwelge im Verein!
Sag, holder Freund, sag, mein Geliebter:
willst du fliehn?

TANNHÄUSER
(auf das äusserste hingerissen, nochmals die Harfe ergreifend)

Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen,
gesungen laut sei nur dein Preis von mir!
Dein süsser Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Die Glut, die du mir in das Herz gegossen,
als Flamme lodre hell sie dir allein!
Ja, gegen alle Welt will unverdrossen
fortan ich nun dein kühner Streiter sein!
Doch hin muss ich zur Welt der Erden,
bei dir kann ich nur Sklave werden;
nach Freiheit doch verlangt es mich,
nach Freiheit, Freiheit, dürste ich;
zu Kampf und Streite will ich stehn,
sei's auch auf Tod und Untergehn! -
Drum muss aus deinem Reich ich fliehn!
O Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!  
VENUS
(im heftigsten Zorne)
Zieh hin! Wahnbetörter! Zieh hin!
Geh! Verräter, sieh, nicht halt ich dich!
Flieh, ich geb dich frei
Zieh hin! Betörter!
was du verlangst, das sei dein Los!
Zieh hin! zieh hin!
Hin zu den kalten Menschen flieh,
vor deren blödem, trüben Wahn
der Freude Götter wir entflohn
tief in der Erde wärmenden Schoss.
Zieh hin, Betörter! Suche dein Heil,
suche dein Heil, - und find' es nie!
Sie, die du siegend einst verlachtest,
die jauchzenden Mutes du verhöhnst,
nun fleh sie an um Gnade, wo du verachtest,
jammre nun um Hold!
Dann leuchte dein Schande,
der hellen Schmach wird dann ihr Spott!
Gebannt, verflucht, ha! wie seh' ich schon
dich mir nahn, tief das Haupt zur Erde: -
"o! fädest du sie wieder,
die einst dir gelächelt!
ach! öffnete sie dir wieder
die Tore ihrer Wonnen!"
Auf der Schwelle, sieh' da!
ausgestreckt liegt er nun,
dort wo Freude einst ihm geflossen!
Um Mitleid fleht er bettelnd, nicht um Liebe!
Zurück! Entweich, Bettler!
Knechten nie, nur Helden öffnet sich mein Reich!

TANNHÄUSER
Nein! Mein Stolz soll dir den Jammer sparen,
mich entehrt je dir nah zu sehn!
Der heut von dir scheidet, o Göttin,
der kehret nie zu dir zurück!

VENUS
(mit einem Schrei)
Ha! du kehrtest nie zurück! -
Wie sagt' ich?
Ha! wie sagte er?
Nie mir zurück!
wie soll ich's denken?
Wie es erfassen!
Mein Geliebter ewig mich fliehn?
(mit zartem Zögern)

Wie hätt' ich das erworben,
wie träf' mich solch Verschulden,
das mir die Lust geraubt,
dem Trauten zu verzeihn?
Der Königin der Liebe,
der Göttin aller Hulden,
wär' einzig dies versagt,
Trost dem Freunde zu weihn?
Wie einst, lächelnd unter Tränen,
ich sehnsuchtsvoll dir lauschte,
den stolzen Sang zu hören,
der rings so lang mir verstummt;
o! Sag, wie könntest je du wohl wähnen,
dass ungerührt ich bliebe,
dräng' zu mir einst deiner Seele
Seufzen, hört' ich dein Klagen?
Dass letzte Tröstung in deinem Arm ich fand,
o, lass' des mich nicht entgelten,
verschmäh einst auch du nicht meinen Trost!

(in Verzweiflung ausbrechend)

Kehrst du mir nicht zurück,
so treffe Fluch die ganze Welt!
und für ewig sei öde sie,
aus der die Göttin wich!

(verzweiflungsvoll flehend)

O kehr, kehr wieder!
Trau meiner Huld, meiner Liebe!

TANNHÄUSER
Wer, Göttin, dir entfliehet, flieht ewig jeder Huld!

VENUS
Nicht wehre stolz deinem Sehnen,
wenn zurück zu mir es dich zieht!

TANNHÄUSER
Mein Sehnen drängt zum Kampfe,
nicht such ich Wonn' und Lust!
ach, mögest du es fassen, Göttin!
Hin zum Tod, den ich suche,
zum Tode drängt es mich!

VENUS
Kehr zurück, wenn der Tod selbst dich flieht,
wenn vor dir das Grab selbst sich schliesst.

TANNHÄUSER
Den Tod, das Grab, hier im Herzen ich trag',
durch Buss' und Sühne wohl find ich Ruh' für mich!

VENUS
Nie ist Ruh' dir beschieden,
nie findest du Frieden!
kehr wieder mir, suchst einst du dein Heil!

TANNHÄUSER
Göttin der Wonn' und Lust!
Nein! ach, nicht in dir find ich Frieden und Ruh'!
Mein Heil liegt in Maria!
(Venus verschwindet. - Die Szene verwandelt sich schnell)

DRITTE SZENE

Tannhäuser, der seine Stellung nicht verlassen hat, befindet sich plötzlich in ein schönes Tal versetzt. Blauer Himmel, heitere Sonnenbeleuchtung. - Rechts im Hintergrunde die Wartburg; durch die Talöffnung nach links erblickt man den Hörselberg. - Rechts führt auf der halben Höhe des Tales ein Bergweg von der Richtung der Wartburg her nach dem Vordergrunde zu, wo er dann seitwärts abbiegt; in demselben Vordergrunde ist ein Muttergottesbild, zu welchem ein niedriger Bergvorsprung hinaufführt. - Von der Höhe links vernimmt man das Geläute von Herdeglocken; auf einem hohen Vorsprunge sitzt ein junger Hirt mit der Schalmei, dem Tale zugekehrt

DER HIRT
Frau Holda kam aus dem Berg hervor,
zu ziehn durch Fluren und Auen,
gar süssen Klang vernahm da mein Ohr,
mein Auge begehrte zu schauen.

(Er spielt)

Da träumt' ich manchen holden Traum,
und als mein Aug' erschlossen kaum,
da strahlte warm die Sonnen,
der Mai, der Mai war kommen.
Nun spiel ich lustig die Schalmei,
der Mai ist da, der liebe Mai!
(Man hört den Gesang der älteren Pilger, welche, von der Richtung der Wartburgherkommend, auf dem Bergwege sich nähern. Der Hirt spielt auf der Schalmei)

DIE ÄLTERE PILGER
Zur dir wall ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sie, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!

(Der Hirt, den Gesang vernehmend,
halt auf der Schalmei ein und hört
andächtig zu)


Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen!
Drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast,
und wähle gern mir Müh' und Plagen.
Am hohen Fest der Gnad' und Huld,
in Demut sühn ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu:
er wird erlöst durch Buss' und Reu'.

DER HIRT
(als die Pilger auf der ihm gegenüberliegenden Höhe angekommen sind, ruft ihnen, die Mütze schwenkend, laut zu)

Glück auf! Glück auf nach Rom!
Betet fur meine arme Seele!

(Tannhäuser, der in der Mitte der Büne wie festgewurzelt gestanden, sinkt heftig erschüttert auf die Knie)

TANNHÄUSER
Allmächt'ger, dir sei Preis!
Gross sind die Wunder deiner Gnade! (Der Zug der Pilger biegt von hier an auf dem Bergwege bei dem Muttergottesbilde links ab und verlässt so die Bühne; - der Hirt entfernt sich ebenfalls mit der Schalmei rechts von der Höhe, - man hört die Herdeglocken immer entfernter)

DIE PILGER
Zur dir wall ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
(auf dem Theater - immer entfernter)

Gelobt sei, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!

(Die Pilger haben hier die
Bühne bereits verlassen)


TANNHÄUSER
(auf den Knien, wie in brünstiges Gebet versunken)

Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen:
drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast,
und wähle gern mir Müh' und Plagen.
(Tränen ersticken seine Stimme; er neigt das Haupt tief zur Erde und scheint, wie von Eisenach her, hört man Glockengeläute)

DIE PILGER
(sehr entfernt)
Am hohen Fest der Gnad' und Huld,
in Demut sühn ich meine Schuld;
(Waldhorn auf dem Theater, entfernt)
gesegnet, wer im Glauben treu.

(Waldhörner entfernt. Während sich der Klang der Hörner allmählich nähert, schweigt das entfernte Geläute) (Von der Anhöhe links herab, aus einem Waldwege, treten der Landgraf und die Sänger in Jägertracht einzeln auf)

VIERTE SZENE

DER LANDGRAF
(auf halber Höhe Tannhäuser erblickend)

Wer ist der dort in brunstigem Gebete?

WALTHER
Ein Büsser wohl.

BITEROLF
Nach seiner Tracht ein Ritter.

WOLFRAM
(eilt zunächst auf Tannhäuser zu und erkennt ihn)

Er ist es!

WALTHER, HEINRICH DER SCHREIBER, BITEROLF, REINMAR
Heinrich! Heinrich! Seh' ich recht?

(Tannhäuser, der überrascht und schnell aufgefahren ist, fasst sich und verneigt sich stumm gegen den Landgrafen, nachdem er einen flüchtigen Blick auf ihn und die Sänger geworfen)

LANDGRAF
Du bist es wirklich? Kehrest in den Kreis
zurück, den du in Hochmut stolz verliessest?

BITEROLF
Sag, was uns deine Wiederkehr bedeutet?

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Sag es an!

BITEROLF
Versöhnung? oder gilt's erneutem Kampf?

WALTHER
Nahst du als Freund uns oder Feind?

DIE SÄNGER
ausser
WOLFRAM
Als Feind?

WOLFRAM
O fraget nicht! Ist dies des Hochmuts Miene?

(Er geht freundlich auf Tannhäuser zu)

Gegrüsst sei uns, du kühner Sänger,
der ach! so lang' in unsrer Mitte fehlt!

WALTHER
Willkommen, wenn du friedlich nahst!

BITEROLF
Gegrüsst, wenn du uns Freunde nennst!
Gegrüsst, gegrüsst, gegrüsst sei uns!

DIE ANDERN SÄNGER
ausser
WOLFRAM
Gegrüsst, gegrüsst, gegrüsst sei uns!

DER LANDGRAF
So sei willkommen denn auch mir!
Sag' an, wo weiltest du so lang?

TANNHÄUSER
Ich wanderte in weiter, weiter Fern' -
da, wo ich nimmer Rast noch Ruhe fand.
Fragt nicht! Zum Kampf mit euch kam ich' nicht her;
seid mir versöhnt - und lasst mich weiter ziehn!

DER LANDGRAF
Nicht doch! Der unsre bist du neu geworden.

WALTHER
Du darfst nicht ziehn.

BITEROLF
Wir lassen dich nicht fort.

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
ausser
BITEROLF
Bleib bei uns!

TANNHÄUSER
Lasst mich! Mir frommet kein Verweilen;
und nimmer kann ich rastend stehn!
Mein Weg heisst mich nur vorwärts eilen,
und nimmer darf ich rückwärts sehn!

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Oh bleib'! Bei uns sollst du verweilen,
wir lassen dich nicht von uns gehn!
Du suchtest uns, warum enteilen?
Nach solchem kurzen Wiedersehn?

TANNHÄUSER
(sich losreissend)
Fort, fort von hier!

DIE SÄNGER
Bleib, bleib bei uns!

WOLFRAM
(Tannhäuser in der Weg tretend, mit crhobener Stimme)
Bleib bei Elisabeth!

TANNHÄUSER
Elisabeth! - O Macht des Himmels,
rufst du den süssen Namen mir?

WOLFRAM
Nicht sollst du Feind mich schelten, dass ich ihn genannt!
(zu dem Landgrafen)
Erlaubest du mir, Herr, dass ich
Verkünder seines Glücks ihm sei?

DER LANDGRAF
Nenn ihm den Zauber, den er ausgeübt:
und Gott verleih ihm Tugend,
dass würdig er ihn löse!

WOLFRAM
Als du in kühnem Sange uns bestrittest,
bald siegreich gegen unsre Lieder sangst,
durch unsre Kunst Besiegung bald erlittest;
ein Preis doch war's, den du allein errangst.
War's Zauber, war es reine Macht,
durch die solch Wunder du vollbracht,
an deinen Sang voll Wonn' und Leid
gebannt die tugendreichste Maid?
Denn ach! als du uns stolz verlassen,
verschloss ihr Herzunsrem Lied;
wir sahen ihre Wang' erblassen,
für immer unsern Kreis sie mied.
O kehr zurück, du kühner Sänger,
dem unsren sei dein Lied nicht fern!
Den Festen fehle sie nicht länger,
aufs neue leuchte uns ihr Stern!

DIE SÄNGER
ausser
WOLFRAM

Sei unser, Heinrich, kehr uns wieder!
Zweitracht und Streit sei abgetan!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!

WOLFRAM
O kehr zurück, du kühner Sänger!
O kehr zurück!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!

DER LANDGRAF
O kehr zurück, du kühner Sänger!
Zwietracht und Streit sei abgetan (Tannhäuser, von heftiger Rührung ergriffen, stürzt sich in Wolframs Arme, begrüsst der Reihe nach herzlich jeden der Sänger und verneigt sich innig dankend vor dem Landgrafen)

TANNHÄUSER
Zu ihr! Zu ihr! Oh, führet mich zu ihr!
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
Der Himmel blickt auf mich hernieder,
die Fluren prangen reich geschmückt!
Der Lenz, der Lenz,
mit tausend holden Klängen
zog jubelnd in die Seele mir!
In süssem, ungestümen Drängen
ruft laut mein Herz:
Zu ihr! Zu ihr!
Führt mich zu ihr!

(Während des Vorhergehenden hat sich nach und nach der ganze Jagdtross des Landgrafen mit Falkenträgern usw. auf der Bühne versammelt Die Jäger stossen in die Hörner)

LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Er kehrt zurück, den wir verloren!
Ein Wunder hat ihn hergebracht!
Die ihm den Übermut beschworen,
gepriesen sei die holde Macht!
Nun lausche unsern Hochgesängen
von neuem der Gepriesnen Ohr!
Es tön in froh belebten Klängen
das Lied aus jeder Brust hervor!
(Das ganze Tal wimmelt jetzt vom immer noch stärker angewachsenen Jagdtross)
(Der Landgraf und die Sänger wenden sich den Jägern zu; der Landgraf stösst in sein Horn, lautes Hornschmettern und Rüdengebell antwortet ihm. Während der Landraf und die Sänger die Pferde, die ihnen von der Wartburg zugeführt worden sind, besteigen, fällt der Vorhang)

libretto by Richard Wagner 
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug

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