DM's opera site
libretti & information
ComposersOperasLinksForumAbout
Other “La forza del destino” libretti [show]
English
French
German
Italian
Russian
Line-by-line [show]
English
French
Italian

La forza del destino” by Giuseppe Verdi libretto (German)

 Print-frendly
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt
ZWEITER AKT

Erste Szene

Das Dorf Hornachuelos
Große Küche einer Schenke zu ebener Erde. Seitwärts
ein gedeckter Tisch, auf dem eine Lampe brennt.

(Der Wirt und dessen Frau sind eifrig beschäftigt, das
Essen zu richten. Der Alkalde sitzt am Feuer, ein
Student am Tisch. Einige Maultiertreiber, darunter
Mastro Trabuco, Bauern und Bäuerinnen.)


CHOR
Holla! Für heute ist's genug!
Laßt alle Arbeit ruhn!
Erholt euch hier beim Wein,
Und fröhlich wolln wir sein.
Wir haben endlich Ruhe!
Die Tiere sind im Stall.
(Die Wirtin setzt eine große Suppenschüssel auf den
Tisch.)

ALKALDE (setzt sich an den Tisch)
Nun kommt zum Essen!

ALLE (nehmen am Tisch Platz)
Zum Essen!

DON CARLO (für sich)
Ich finde weder Schwester noch Verführer...
Schändliche!

CHOR (zum Alkalden)
Der Alkalde soll erst beten.

ALKALDE
Der Herr da kann es besser!

DON CARLO
Meinetwegen...
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.

CHOR (setzen sich hin)
Amen.

LEONORA
(erscheint ängstlich in der halboffenen Türe des
Zimmers zur Rechten)
Er ist es! Ja! Mein Bruder!
(Sie geht. Die Wirtin hat inzwischen den Reis ausgeteilt
und setzt sich ebenfalls. Später wird ein anderes
Gericht aufgetragen. Trabuco hält sich abseits, immer
auf seinem Sattel hockend.)


ALKALDE (kostet)
Schmeckt's Euch?

DON CARLO (ißt)
Ausgezeichnet .

CHOR
Es will sagen: ,.Friß mich doch!"

DON CARLO (zur Wirtin)
Tu das epulis accumbere Divum.

ALKALDE
Latein kann sie gar nicht, aber sie kann kochen!

DON CARLO
Bravo die Köchin!

ALLE
Sie lebe!

DON CARLO
Und Ihr, Mastro Trabuco?:

TRABUCO
Ich esse nichts!

DON CARLO
Ihr fastet?

TRABUCO
So ist es.

DON CARLO
Und was ist mit dem Burschen, den Ihr brachtet?
(Preziosilla kommt mit tänze linden Schritten herein.)

PREZIOSILLA
Kampf allerwege!

ALLE
Preziosilla!

DON CARLO und
CHOR
Komm doch zu mir!

ALLE
Du sollst die Zukunft uns prophezein!

PREZIOSILLA
Wer strebt nach Ruhm und Ehren?

ALLE
Jeder von uns.

PREZIOSILLA
Dann macht euch auf und geht nach Italien, wo die
Flammen des Krieges heftig entbrannten.

ALLE
Tod den Deutschen!

PREZIOSILLA
Ewige Geißel Italiens und seiner Väter.

ALLE
Wir sind dabei!

PREZIOSILLA
Ich ziehe auch mit euch!

ALLE
Er lebe!

PREZIOSILLA
Es wirbelt die Trommel,
Es stampfen die Pferde,
Es speien Kartaunen Verderben und Tod!
Wie schlägt dem Soldaten
Im Kampfe das Herz!
Wie herrlich zu siegen!
Es lebe der Krieg!
Es lebe der Krieg!

ALLE
Es lebe der Krieg!

PREZIOSILLA (wendet sich von einem zum andern)
Mir sagt deine Hand:
Du wirst bald Korporal;
Du Hauptmann, du Oberst,
und du General!
Dann braucht ihr euch nach Schönen
Nicht länger zu sehnen,
Sie kommen in Scharen,
Dann habt ihr die Wahl!
Wie herrlich zu siegen!

ALLE
Es lebe der Krieg! Er lebe!

DON CARLO (hält Preziosilla die Hand hin)
Was hält das Glück bereit für den Studenten?

PREZIOSILLA (seine Hand lesend)
Du bist ein Unglückskind, dir geht es schlecht...

DON CARLO
Was sagst du?

PREZIOSILLA (ihn forschend ansehend)
Ich gaukle dir nichts vor.
(dann, leise)
Doch du, das sehe ich,
Bist kein Student...
Doch keine Sorge, nein, nein, nein,
Ich bin verschwiegen!
Denn mir ist das vollkommen gleich,
Ob du ein Bettler oder reich,
Tra la la la!

ALLE
Es lebe der Krieg, usw.
(Pilger nahen und überschreiten die Szene.)

CHOR DER PILGER (aus der Ferne)
Ewiger Vater und Gott,
Erbarme dich!
Erbarme dich!
Sohn des Vaters, o Gott,
Heiliger Geist,

Erbarme dich!
Heilige Dreifaltigkeit,
Erbarme dich!

ALLE (sich erhebend, ihre Hüte abnehmend)
Wer kommt da?

ALKALDE
Es sind die Pilger, sie ziehn zum Jubiläum.

LEONORA (immer noch an der Tür)
Könnt ich nur fliehen!

DON CARLO und MAULTIERTREIBER
Wir lassen sie vorbeiziehn.

ALKALDE
Wir beten mit!

ALLE
Wir beten mit!
(Sie stehen vom Tisch auf und knien nieder.)
Auf Knien flehen wir dich an:
Erhalt uns deine Gnade!
Und vor der Hölle Qualen
Bewahre uns voll Huld, o Gott!
Erbarme dich!

LEONORA (für sich)
Errett mich aus des Bruders Hand.
Hilf mir, erbarme dich, rette mich
Vor dem Bruder, er trachtet mir nach dem Leben,
Errette mich! Erbarmen!
Erbarme dich!

(Leonora zieht sich in ihr Zimmer zurück und schließt
die Tür. Alle nehmen ihre Plätze am Tisch wieder ein.
Eine Flasche wird herumgereicht.)


DON CARLO
Freunde, nun laßt uns wieder trinken!

ALLE
Bravo!

DON CARLO (hebt sein Glas)
Jetzt wird gelebt! Die Ewigkeit hat Zeit!

ALLE (einander zutrinkend)
Halleluja.

DON CARLO
Ist Trabuco schon im Himmel?

TRABUCO
Mir scheint, hier ist die Hölle!

DON CARLO
Und jenes junge Herrchen, das Ihr führtet,
Reiste zum Jubiläum?

TRABUCO
Vielleicht.

DON CARLO
Nun sagt, ist's ein Hähnchen oder Hühnchen?

TRABUCO
Kümmert mich das? Ein jeder zählt das gleiche!

DON CARLO
Sehr philosophisch!
(wendet sich an den Alkalden)
Und Ihr, was meint Ihr von dem Herrchen?
Warum ißt er nicht mit?

ALKALDE
Ich weiß nicht.

DON CARLO
Er verlangte Wasser nur und Essig,
Ha, ha, sich zu erfrischen .

ALKALDE
Mag sein.

DON CARLO
Ist's wahr, daß er hübsch
und ohne Bart ist?

ALKALDE
Gab nicht Obacht.

DON CARLO (für sich)
Bring nichts heraus!
(zu Trabuco)
Nur noch ein Wort:
Saß der Herr seitwärts
Oder rittlings auf dem Maultier?

TRABUCO (die Geduld verlierend)
Ach, geht doch!

DON CARLO
Sagt, woher kam er?

TRABUCO
Ich weiß nur:
ich bin bald im Paradiese.

DON CARLO
Warum?

TRABUCO
Weil mich schon das Fegefeuer brennt...

DON CARLO
Wo wollt Ihr hin?

TRABUCO
In den Stall; ich will schlafen bei den Tieren,
die verstehn nicht lateinisch
und lassen mich in Frieden.
(Die Vorigen ohne Trabuco.)

ALLE
Haha! Er verschwindet!

DON CARLO
Weil dem Fremden der Schnurrbart fehlt,
will ich ihm mit Farbe einen malen.
Da gibt es was zu lachen!

ALLE
Bravo, bravo!

ALKALDE
Die Fremden stehn in meinem Schutz! Ich verbiet es!
Dürfte ich wohl erfahren,
wo du herkommst,
wo du hinwillst und wie dein Name?

DON CARLO
Ist es nur das? Gern will ich euch berichten.
Don Pereda, so lautet mein Name,
Ich studierte in Salamanca,
Und ich wäre längst schon Doktor beider Rechte,
Hätt in Salamanca ich mein Studium beendet.
Doch ich lernte Don Vargas dort kennen,
Und er lud nach Sevilla mich ein.
So verließ ich mit ihm Salamanca;
Wir beschlossen, treue Freunde zu sein.
Doch ein fremder Galan seiner Schwester
Tötete den Vater, als er sie entführte,
Und Don Vargas, ein Jüngling von Ehre,
War zur Rache entschlossen...
Bis nach Cadiz verfolgten wir die beiden,
Doch entkommen waren Schwester und Galan.
Tief zu Herzen ging mir des Freundes Leiden,
Denn wie ein Bruder war ich ihm zugetan.
Später hörte der Freund, seine Schwester
Sei zugleich mit dem Vater gestorben,
Und nach heftigem Kampf mit den Dienern,
Sei der Fremde im Dunkel entflohen.
Doch Don Vargas, er schwor, ihn zu finden,
Und so trennte die Freunde das Geschick.
Nach Amerika verfolgte er den Frevler,
Ich aber kehrte zum Studium zurück.

ALLE
Wahrlich, schaurig ist diese Ballade.
Solche Freundschaft belohne das Glück.

ALKALDE
Zum Wohlsein!

PREZIOSILLA (schroff)
Ermordet ward der Marchese?

DON CARLO
Nun ....

PREZIOSILLA
Und der Mörder entführte die Tochter?

DON CARLO
Ja.

PREZIOSILLA
Und mit dem Freunde zogst du nach Cadiz,
Um ihn zu suchen, doch erst nach Sevilla?
Das mag dir glauben, wer es will! Doch keine Sorge,
Ich bin still... Tra la la la!
(Alkalde erhebt sich und sieht auf die Uhr.)

ALKALDE
's ist spät, ihr Leute; da ihr nun gespeist habt, sagt
euer Dankgebet! Dann zu Bett!

PREZIOSILLA,
DON CARLO und
CHOR
Wir gehen! Gehn wir schlafen.
Gute Nacht! Gute Nacht!

ALLE
Gehn wir. Seid fröhlich, Mautiertreiber!
Es ist die Stunde der Ruhe.

DON CARLO
Ich bin Don Pereda, so lautet mein Name, usw.

ALKALDE
Zum Wohlsein!

PREZIOSILLA
Ha-ha-ha! Das mag dir glauben, wer es will!
Doch keine Sorge, ich bin still...

ALLE
Gute Nacht! Wir gehen!

Zweite Szene

Umgebung von Hornachuelos
Kleiner ebener Platz am Abhang eines steilen Gebirges.
Rechts Abgründe und Felsen, im Hintergrund die
Fassade der Kirche „Madonna degli Angeli", links die
Klosterpforte. Heller Mondschein beleuchtet die Szene.

(Leonora tritt ein; sie trägt Männerkleidung.)

LEONORA
Am Ziele! Dank dem Himmel!
Der letzte Zufluchtsort ist dies. Ach endlich!
Ich zittre...
Von meinem düstren Schicksal erfuhren
viele Leute, mein eigner Bruder erzählt es!...
Ob er mich wohl erkannte? Himmel! Mein Bruder
sagte, Alvaro habe sich gerettet!
Er ist entkommen in der Nacht, da ich selber,
ich, mit Vaterblut befleckt die Hände,
auf der Flucht ihn verloren!
Alvaro lebt noch, verließ und vergaß mich!
Weh mir! Mein Herz will mir versagen!
(Sie fällt auf die Knie.)

Jungfrau Maria, gnadenreich,
Vergib mir meine Sünden,
Verbann aus meinem Herzen
Des Undankbaren Bild.
In dieser stillen Einsamkeit
Laß meine Schuld mich söhnen...
Mein Gott und Herr, erbarm dich mein,
Erbarm dich gnädig meiner Not!
(Man hört eine Orgel den Morgengesang der Mönche
begleiten.)
Der feierliche Chorgesang...
(erhebt sich)
Der Orgel sanfte Klänge,
Sie steigen auf zum Himmel,
Wie des Weihrauchs heilge Düfte,
Sie schenken meiner Seele
Glauben und Trost und Frieden!

CHOR DER
MÖNCHE (von innen)
Venite, adoremus er procedamus ante Deum,
Ploremus, ploremus coram Domino, coram
Domino qui fecit nos.


LEONORA (sie tritt ab )
Ob ich wohl schon wagen kann,
Zu dieser frühen Stunde?
Doch folgt vielleicht mein Bruder mir.
O arme Leonora, zagst du?
Vertrau dem Diener Gottes hier, er weist dich nicht
zurück, nein...
Mein Gott und Herr, erbarm dich meiner Qual, Gott,
Steh mir bei! Erbarm dich mein!

MÖNCHE
Ploremus, ploremus coram Domino qui fecit nos.
(Leonora zieht an der Glocke des Klosters. Das
Fensterchen in der Tür geht auf. Lichtschein fällt auf
Leonoras Gesicht, die erschrocken stehen bleibt. Fra
Melitone spricht immer von innen.)


MELITONE
Wer seid Ihr?

LEONORA
Meldet mich dem Prior.

MELITONE
Kommt Ihr zum Jubiläum?
Um fünf wird erst geöffnet!

LEONORA
Ich will zum Prior! Hört Ihr denn nicht?

MELITONE
Ich höre nie vor fünf Uhr!

LEONORA
Mich sendet Pater Cleto.

MELITONE
Wie, der Heilge! Und weswegen?

LEONORA
Es eilt mir.

MELITONE
Und warum?

LEONORA
Ich brauche Hilfe...

MELITONE
Üble Sache!
Komm herein, ich will öffnen.

LEONORA
Ich darf nicht!

MELITONE
Nicht? Traf Euch der Bann der Kirche?
Nun gut, so macht, was Ihr wollt und wartet draußen.
Ich meld Euch. Komm ich nicht wieder,
Wünsch ich gute Nacht.
(Er schließt das Fensterchen.)

LEONORA
Doch wenn er mich zurückweist?
Rühmt man nicht seine Güte? Bestimmt hilft er auch
Mir. Jungfrau Maria, steh du mir bei!
(Pater Guardiano erscheint zusammen mit Fra
Melitone.)

GUARDIANO
Wer verlangt mich?

LEONORA
Ein Pilger.

GUARDIANO
Sprich denn.

LEONORA
Ein Geheimnis...

GUARDIANO
Entfern dich, Melitone.

MELITONE (im Abgehen, für sich)
's ist ein Geheimnis!
Und nur die Heilgen dürfen alles erfahren!
Die andern sind nicht reif dafür...

GUARDIANO
Was hast du da zu brummeln?

MELITONE
O nichts! Ich bemerkte nur,
Daß die Türen wieder knarren.

GUARDIANO
Geh, gehorche.

MELITONE (für sich)
Das nennt sich nun ein Prior!
(Er geht ins Kloster zurück.)

GUARDIANO
Niemand stört uns. Sprich offen.

LEONORA
Vor Euch steht eine Frau.

GUARDIANO
Eine Frau! Zu dieser Stunde!
Was wollt Ihr?

LEONORA
Ohne Eltern, verlassen, betrogen,
Von der Welt und vom Himmel verstoßen,
Fleh ich weinend Euch an auf den Knien:
Rettet mich vor den Qualen der Hölle!

GUARDIANO
Welche Hilfe erwartet Ihr hier?

LEONORA
Pater Cleto schrieb Euch doch von mir!

GUARDIANO
Sendet er Euch?

LEONORA
Ja.

GUARDIANO (überrascht)
Dann seid Ihr
Also Leonora di Vargas!

LEONORA
Ihr zürnt mir?

GUARDIANO
Nein. Willkommen im Zeichen des Kreuzes.
Nur in ihm findet Frieden die Seele.
(Leonora kniet am Fuß des Kreuzes, küßt es und kehrt
wieder zum Pater Guardiano zurück.)

LEONORA
Leichter trag ich meine Qualen,
Da das Kreuz ich vor mir sehe.
Der Verdammnis düstre Bilder

Schwinden hin in seiner Nähe...
Meinen Augen sind entschwunden
Meines Vaters blutge Wunden,
Nimmer hör ich, wie er sterbend
Seine Tochter laut verflucht.

GUARDIANO
Satans Macht muß hier vergehen,
Der die Gläubigen versucht.

LEONORA
Darum zeigt mir jene Zelle,
Wo vor mir schon andre litten.

GUARDIANO
Wie? Du wüßtest?

LEONORA
Cleto sagt es.

GUARDIANO
Und du wolltest?

LEONORA
Gott mich weihen.

GUARDIANO
Gibst du dich auch keiner Täuschung hin?
Fühlst du morgen nicht schon Reue,
Und die ungebrochne Jugendkraft
Quält die Seele dir aufs neue?

LEONORA
Leichter trag ich meine Qualen, usw.

GUARDIANO
Wehe dem, der sich verleiten läßt!
Kannst du lesen in der Zukunft,
Ob du morgen denkst wie heute?
Dein Geliebter?

LEONORA
Ach, nur durch Zufall
Schoß er meinen Vater tot.

GUARDIANO
Und dein Bruder?

LEONORA
Ach, mein Leben
Ist durch seinen Schwur bedroht!

GUARDIANO
Bessre Zuflucht
Bietet dir gewiß ein Kloster.

LEONORA
Ein Kloster? Nein!
Wenn Ihr mich abweist trotz meiner Reue,
Schrei in den Felsen ich laut um Hilfe.
Dort in der Wildnis finde ich Zuflucht,
Die wilden Tiere verstehn mein Leid.
Herab vom Himmel kam eine Stimme:
„Hier unterm Kreuze findest du Gnade..."
Und Ihr verstoßt mich? Laßt hier mich bleiben!
Wollt Ihr mir rauben den letzten Trost?

GUARDIANO
Preis dir und Ehre, du Allerbarmer,
Schützer der Schwachen, Vater der Armen,

Der du allmächtig über uns thronst,
Dein heilger Wille soll geschehn in Ewigkeit!
Du bist entschlossen?

LEONORA
Entschlossen!

GUARDIANO
So nehme Gott dich auf.

LEONORA
In seiner Güte!

GUARDIANO
Nur ich kenn deinen Namen.
Dort im Fels ist eine Höhle;
Da sollst du wohnen.
Ich bring dir selber dein kärgliches Brot
Zum nahen Quell alle sieben Tage.

LEONORA
So gehn wir.

GUARDIANO (zur Tür gewandt)
Melitone?
(zu Melitone, der erscheint)
Laß alle Brüder mit entflammten Kerzen
Am Hochaltar sich versammeln,
Vor Gottes ew'gem Antlitz dort zu beten...
(Melitone verschwindet.)
Allein wirst du beim Morgenrot
Zur Klause dich begeben,
Doch soll zuvor des Himmels Brot
Dir Seelenstärke geben.

Dann nimm das schlichte Büßerkleid;
Bleibe im Herzen rein.
Zu tragen deine Einsamkeit,
Mög Gott dir Kraft verleihn.
(Er geht ins Kloster und kommt wieder zurück mit einer
Franziskanerkutte über dem Arm, die er Leonora
überreicht.)


LEONORA
Gnade des Himmels
Fleh ich auf mich hernieder!
Vertrauen und Zuversicht
Beleben mich nun wieder!
Schon fühle ich in meiner Brust
Das Leben neu erblühn.
Nun jauchze laut, du Engelschor:
Der Herr hat mir verziehn.
Dank dir, o Herr!

GUARDIANO
Dann nimm das schlichte Büßerkleid, usw.

LEONORA
Nun jauchze laut, du Engelschor:
Der Herr hat mir verziehn, usw.
(Sie gehen in das Pförtnerzimmer. Die breite Kirchentür
geht auf. Man sieht im Hintergrund den erleuchteten
Hochaltar. Orgelklänge ertönen. Vom Chor kommen in
zwei langen Reihen die Mönche mit brennenden
Kerzen. Später Pater Guardiano, hinter ihm Leonora in
Mönchskleidung. Die Mönche bilden einen Halbkreis.
Leonora wirft sich vor Pater Guardiano auf die Knie, er
breitet feierlich die Hände über sie.)


GUARDIANO
Der ew'ge Name des Vaters im Himmel, Er sei
gepriesen.

CHOR
Er sei gepriesen.

GUARDIANO
Ein reuig Herz sucht zur Büßung der Sünden
In der Öde Zuflucht und Frieden.
Die heilge Klause will ich ihm öffnen.
Ihr alle kennt sie.

CHOR
Sie ist bekannt.

GUARDIANO
Ihr dürft der Klause niemals euch nahen!
Wollt ihr's versprechen?

CHOR
Wir bleiben fern.

GUARDIANO
Und auch den Weg,
Der zu ihr hinaufführt, den sollt ihr meiden!

CHOR
Wir meiden ihn.

GUARDIANO
Wer die Verbote schmählich mißachtet,
Wer nach des Fremdlings Geheimnis trachtet
Und seinem Namen, der soll verflucht sein in Ewigkeit!

CHOR
Der soll verflucht sein in Ewigkeit!
Es möge des Himmels Flammenstrahl den Frevler
schlagen, der solch Gebot will zu brechen wagen!
Des stillen Grabes Ruh soll nie er finden,
Und seines Leibes Staub gehör den Winden.
Streut seine Asche in alle Winde.

GUARDIANO (zu Leonora)
Erhebe dich,
Geh zur Klause.
Du siehst hinfort kein lebendes Wesen.
Durch ein Glöckchen gibst du uns Kunde,
Wenn Gefahren dich bedrohen,
Oder sich nahet deine letzte Stunde.

CHOR und
GUARDIANO
An deiner Seite
Sollst du uns dann sehen,
Den letzten Trost
Der Seele zu spenden.

LEONORA
An deiner Seite
Sollst du uns dann sehen,
Den letzten Trost
Der Seele zu spenden.

ALLE
An deiner Seite, usw.
(Leonora küßt Pater Guardianos Hand und geht allein
zur Eremitenklause. Nachdem die Mönche ihre Kerzen
ausgelöscht haben, ziehen sie sich in die Kirche zurück.
Pater Guardiano bleibt an der Pforte stehen; hebt
segnend seine Arme in die Richtung in der Leonora
verschwand.)


 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt

 Print-frendly

comments powered by HyperComments