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La traviata” by Giuseppe Verdi libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt
ZWEITER AKT

Erste Szene

Landgut in der Nähe von Paris. Salon.
Im Hintergrund befindet sich ein Kamin zum Publikum,
auf dem Kaminsims eine Uhr und darüber ein Spiegel.
Auf beiden Seiten des Kamins führen Flügeltüren in
den Garten. Im ersten Stockwerk zwei weitere sich
gegenüber liegende Türen. Stühle, Tische, Bücher,
Schreibmaterial.
(Alfredo tritt in Jagdkleidung ein.)

ALFREDO (Er stellt sein Gewehr ab.)
Entfernt von ihr ist kein Glück für mich!
Drei Monde schon entschwanden,
daß meine Violetta für mich entsagte
den Reizen des Lebens, den Huldigungen,
die von einem Sklavenschwarme
ihrer Schönheit geweihet wurden.
Sie mied den Trubel.
ünd nun zufrieden an diesem stillen Orte
vergaß alles sie für mich. An ihrer Seite
fühl ich mich neu erstehen,
neu geboren, vergeß in ihrem Glück
ich die Vergangenheit.
Ach, ihres Auges Zauberblick
strahlte mir in die Brust, und rief mein wildes
Herz zurück, mein Herz zurück vom Taumel trunkner
Lust.
Selige Worte zu mir sie sprach:
mein Leben weih ich dir!
Das tönt mir ewig im Herzen nach
und öffnet den Himmel mir.
(Annina tritt in Reisekleidung auf.)

ALFREDO
Annina, woher kommst du?

ANNINA
Von Paris!

ALFREDO
Wer schickte dich dorthin?

ANNINA
Meine gute Herrin.

ALFREDO
Warum?

ANNINA
Um all die Sachen zu verkaufen,
die uns hier noch blieben.

ALFREDO
Was muß ich hören?

ANNINA
Zu teuer wurde uns der Aufwand hier.

ALFREDO
Und du verschwiegst es?

ANNINA
Man hat mir Schweigen befohlen.

ALFREDO
Befohlen? - Sag, wieviel braucht Ihr.

ANNINA
Tausend Dukaten.

ALFREDO
Ich eile schnell nach Paris.
Doch verrate nichts deiner Herrin.
Das ganze wird sogleich geordnet sein.
(Alfredo ab. Bald darauf tritt Violetta ein mit
verschiedenen Papieren in der Hand. Sie spricht mit
Annina.)

VIOLETTA
Wo ist Alfredo?

ANNINA
Er eilte eben nach Paris.

VIOLETTA
Kommt er zurück?

ANNINA
Noch vor Abend kommt er wieder.
Euch sollt ich's nicht verschweigen.

VIOLETTA
Sehr seltsam.

GIUSEPPE (reicht Violetta einen Brief.)
Für Euch.

VIOLETTA (nimmt ihn)
Ich danke. Wenn ein Geschäftsmann
nach mir fragen sollte,
laßt ihn sofort herein.

(Violetta liest den Brief.)
Ha, ha! Flora hat mein Versteck entdeckt.
Weil sie mich zum Tanz für heute abend lädt!
Sie wird vergebens warten!
GIüSEPPE
Ein Herr wünscht Euch zu sprechen!

VIOLETTA
Er ist's, auf den ich warte.
(Sie bedeutet Annina ihn hereinzubitten. Giorgio
Germont erscheint.)

GERMONT
Sie sind Fräulein Valery?

VIOLETTA
Die bin ich.

GERMONT
Sie sehen in mir den Vater Alfredos.

VIOLETTA
(erstaunt, bietet sie ihm einen Stuhl an.)
Ihr!

GERMONT
Den Vater des Verblendeten, des Armen,
den Ihr ruiniert.

VIOLETTA (steht entrüstet auf)
Mein Herr, Ihr sprecht zu einer Dame,
dies ist mein Haus; erlaubt mir, daß ich Euch verlasse,
zu Eurem Besten, nicht zu meinem.
(im Begriff das Zimmer zu verlassen)

GERMONT
(Wie wohlerzogen!) ünd doch...

VIOLETTA
Man hat Euch falsch berichtet.

GERMONT
Er will Euch seine Güter schenken.

VIOLETTA
Bis jetzt hat er es nicht gewagt - Ich würde sie nicht
nehmen.

GERMONT (sich umsehend)
Woher bezahlt Ihr Euren Aufwand?

VIOLETTA
Für alle
ist dies noch geheim. Euch will ich's sagen.
(Gibt ihm einige Papiere.)

GERMONT (einen Blick darauf werfend)
Himmel, was entdeck ich?
Euern ganzen großen Besitz
wollt Ihr jetzt hingeben?
Eure Vergangenheit, warum beklagt ihr sie?

VIOLETTA
Sie ist entschwunden - Ich liebe!
Gott hat, durch meine Reue, mir vergeben.

GERMONT
Eure Ehre ist makellos.

VIOLETTA
Oh wie wonnig mir Euer Wort ins Herz dringt.

GERMONT
Darf ich nun von Euch
ein großes Opfer fordern?

VIOLETTA (erhebt sich)
Ach, nein, schweiget -
Unmögliches würdet Ihr verlangen.
Ich ahn's, ich fühl's, seht, jetzt war ich
glücklich.

GERMONT
Der Vater Alfredos bittet Euch,
er fleht um das Heil, um die Zukunft
seiner beiden Kinder.

VIOLETTA
Seiner beiden Kinder?

GERMONT
Ja.
Gott schenkte eine Tochter mir,
mein Stolz und meine Liebe.
Ein Jüngling weiht in Sehnsucht ihr
sein Herz voll süßer Triebe.
Doch kehret Alfredo nicht zurück,
dann wird er sie verlassen,
und all ihr kaum gelebtes Glück
wird unerfüllt erblassen.
Drum wandle, ach, zu Dornen nicht
der Liebe Rosenketten,
erkenne deine hohe Pflicht,
der Tochter Glück zu retten.

VIOLETTA
Ah, ich verstehe, nur für kurze Zeit
soll Alfredo mich verlassen; auch das
wird schwer, wird schmerzlich für mich sein.

GERMONT
Das ist nicht alles.

VIOLETTA
Himmel, was verlangt Ihr?
Hab' ich nicht genug Euch zugestanden?

GERMONT
Es genügt nicht -

VIOLETTA
Wollt Ihr, daß ich auf immer, für alle Ewigkeit ihm
soll entsagen?

GERMONT
Ich verlang' es.

VIOLETTA
Nein, niemals.
Ihr kennet nicht mein Lieben,
wie es glühend mich beseelt.
Hab keine Freunde, keine Eltern
und niemanden, der mit mir lebt.
Alfredo hat mir fest geschworen,
all das zu sein, was ich verlor.
ünd wißt Ihr auch, daß Todesschmerzen
meiner Tage Lauf bedrohen?
Laßt mir ihn doch, der mich erwähltet!
Trennt Alfredo nicht von mir,

ach, wenn er mir fern sein sollte,
zöge raschen Tod ich vor.

GERMONT
Ein schweres Opfer fordere ich,
doch hört mich nochmals ruhig an.
Jugend und reiche Schönheit besitzt Ihr,
doch bald...

VIOLETTA
O sprecht nicht weiter!
Wohl versteh' ich's, doch es ist unmöglich.
Nur ihn kann ich lieben.

GERMONT
Ich glaub's Euch, doch wandelbar ist des Menschen
Sinn.

VIOLETTA
O Himmel.

GERMONT
Wenn einst die Zeit den Traum
der Gegenwart zerstöret,
zerfließt dein Glück zu eitlem Schaum,
das Herz ist wahnbetöret.
Dann wird kein Balsam deinem Herzen
Trost und Ruhe bringen,
denn Gott würd' seinen milden Segen
von eurem Bunde kehren.

VIOLETTA
O Gott, 's ist wahr.

GERMONT
Entsag' dem leeren Wahne, bekämpfe deine Lust.

VIOLETTA
's ist wahr, so wahr.

GERMONT
Ich zeige dir der Tugend Bahn,
die du betreten mußt.
Sei du den Meinen Engel
fortan von dieser Stund'!
Bedenk', aus eines Vaters Mund
spricht jetzt der Himmel selbst zu dir.

VIOLETTA
Weh der Armen, alles ist verloren.
Ewige Buße - doch Hoffnung wird mir nie.
Wenn Gott auch Gnade mir verleiht,
die Menschen werden stets mir Richter sein.

GERMONT
Sei du den Meinen Engel fortan von dieser Stund'!

VIOLETTA (weinend zu Germont)
Sagt der Tochter, es wird gelingen,
daß ihrem Glücke das Opfer ich bringe.
Hab ich den Trost dann mir erworben,
daß ich als Opfer für sie bin gestorben.

GERMONT
Weine, weine, oh armes Mädchen - Ich erkenne
das Opfer, um das ich Euch bitte.
Tief in der Seele fühl' ich Euch leiden,
doch Euer Herz wird Sieger bleiben.

VIOLETTA
Sagt der Tochter, es wird gelingen,
daß ihrem Glücke das Opfer ich bringe.
Hab ich den Trost dann mir erworben,
daß ich als Opfer für sie bin gestorben.

GERMONT
O ich erkenne, ich würdige
das Opfer, um das ich Euch bitte.
Tief in der Seele fühl ich Euer Leiden,
doch Euer Herz wird Sieger bleiben.
Weine, armes Kind!

VIOLETTA
Doch wie kann's geschehen?

GERMONT
Gebt vor, ihn nicht mehr zu lieben.

VIOLETTA
Er wird's nicht glauben.

GERMONT
Entfliehet.

VIOLETTA
Dann wird er folgen.

GERMONT
Was nun?

VIOLETTA
Wie eine Tochter laßt mich
Trost und Stärke gewinnen.
(Sie umarmen sich.)

Nach kurzer
Zeit kommt er zurück zu Euch.
(nach dem Garten hinzeigend)
Seid Tröster ihm, dem Armen,
und verlaßt ihn nicht.
(Violetta setzt sich um zu schreiben.)

GERMONT
Was werdet Ihr tun?

VIOLETTA
O dringt nicht weiter in mich.

GERMONT
Edles Mädchen! Könnt ich dir nur helfen.
O edles Mädchen!

VIOLETTA (geht zu ihm hin)
Ich sterbe! Doch lasset nicht im Zorne
ihn fluchend mein gedenken.
Er möge der Erinnerung
des Mitleids Tränen schenken.

GERMONT
Nein Edle, du wirst leben,
dem Frohsinn sollst du dich ergeben.
Und möge der gütige Himmel Euch
eines Tages die Tränen vergelten.

VIOLETTA
Ich kenne das Opfer, daß ich
meiner Liebe gebracht.
Einst wird der letzte Hauch meiner Brust
sein Name nur sein.

GERMONT
Euch wird des Opfers hoher Wert
mit Eurem Schmerz versöhnen.
Mit dem, auf das Ihr nun verzichtet,
wird Euch die Zukunft krönen.

VIOLETTA
Ich kenne das Opfer, das ich
meiner Liebe gebracht.
Einst wird der letzte Hauch meiner Brust
sein Name nur sein.

GERMONT
Die Zukunft wird Euch krönen,
mit dem, auf das Ihr nun verzichtet.
Die Zukunft wird Euch krönen.
Euch wird des Opfers hoher Wert
mit Eurem Schmerz versöhnen.
Mit dem, auf das Ihr nun verzichtet,
wird Euch die Zukunft krönen.

VIOLETTA
Man kommt! Entfernt Euch!

GERMONT
Ich bin Euch von Herzen dankbar.

VIOLETTA
Entfernt Euch! Wir werden uns nie wiedersehen.
(Sie umarmen sich.)

VIOLETTA, GERMONT
Lebt wohl!

VIOLETTA
Addio!

GERMONT
Addio!

VIOLETTA
Ich kenne das Opfer...

GERMONT
Ja...

VIOLETTA
Das ich meiner Liebe gebracht -
Der letzte Seufzer meiner Brust...
Addio!

GERMONT
Addio!

VIOLETTA
Der letzte Seufzer meiner Brust...
Addio!

VIOLETTA, GERMONT
Lebt wohl! Addio!
(Germont geht zur Gartentür hinaus.)

VIOLETTA
O Himmel, sei mir gnädig!
(Sie setzt sich hin, schreibt und läutet nach dem
Diener. Annina tritt ein.)

ANNINA
Ihr verlangtet nach mir?

VIOLETTA
Ja, du selbst sollst dieses Blatt überbringen.
(Sie liest die Adresse und schaut mit Erstaunen auf.)
Sei schweigsam und beeile dich.
(Annina ab.)
Und nun schreibe ich an ihn.
Was sag ich ihm? Den Mut, woher ihn nehmen?
(Sie schreibt und versiegelt den Brief.)

ALFREDO (tritt ein)
Was machst du dort?

VIOLETTA (den Brief verbergend)
Nichts.

ALFREDO
Schriebst du?

VIOLETTA
Ja... Nein...

ALFREDO
Du bebst! An wen schriebst du?

VIOLETTA
An dich.

ALFREDO
Gib mir das Blatt!

VIOLETTA
Nein, jetzt nicht.

ALFREDO
Vergib mir, verzeihe meinen Unmut.

VIOLETTA
Was hast du?

ALFREDO
Mein Vater ist hier.

VIOLETTA
Warst du bei ihm?

ALFREDO
Nein, strenge Worte künden ihn an.
Doch ich erwart' ihn! Er wird dich lieben.

VIOLETTA
Er darf mich hier nicht finden,
laßt mich entfliehen - besänftige ihn.
Zu seinen Füßen werd' ich mich werfen -
Dann kann er uns nie wieder trennen -
Wir werden glücklich sein.
Du liebst mich doch, Alfredo, nicht wahr?

ALFREDO
Unendlich! Warum weinst du?

VIOLETTA
Die Tränen kamen mir.
Jetzt bin ich ruhig.
Siehst du, ich lächle, ich bin ruhig.
Dort unter Blumen werd' ich dir nah sein.
Dich liebe ich, Alfredo, aus ganzer Seele.
Leb wohl!
(Sie geht in den Garten.)

ALFREDO
In treuer Liebe schlägt nur mir dies Herz.

(Er setzt sich, nimmt ein Buch und liest einen
Augenblick. Dann steht er auf und geht zur Uhr auf
dem Kaminsims.)
Es ist spät; werd' ich heute
wohl den Vater noch sehen?

GIUSEPPE (tritt bestürzt ein)
Die Herrin ist eilig abgefahren.
Ein wagen wartete,
und schnell eilt sie jetzt nach Paris.
Vor ihr verließ Annina das Haus.

ALFREDO
Ich weiß, beruhige Dich.
GIüSEPPE
(Was sagt er da?)

ALFREDO
Mir will sie ihr Letztes opfern,
deshalb wohl enteilte sie.
Doch Annina wollte es nicht eingestehen.
KOMMISSIONÄR
Seid Ihr Herr Germont?

ALFREDO
Ich bin's.
KOMMISSIONÄR
Eine Dame
in einem Wagen gab mir,
nicht weit von hier, dieses Schreiben.
(Er gibt Alfredo den Brief, der ihn mit einem Trinkgeld
belohnt.)

ALFREDO
Von Violetta! Doch warum so verborgen?
Vielleicht soll ich ihr schleunigst folgen -
Ich zittere! O Himmel! Doch Mut jetzt!
(Er öffnet den Brief.)
„Mein Alfredo, wenn du diese Zeilen empfängst..."
(Erschreit auf:)
Ah!
(Germont tritt vom Garten herein. Sich umdrehend
sieht er seinen Vater und wirft sich in seine Arme.)
Ah, mein Vater!

GERMONT
Mein Sohn!
O wie du leidest! Trockne deine Tränen
kehr' zum Vater und den Freunden zurück.
(Verzweifelt setzt sich Alfredo an den Tisch und stützt
den Kopf in die Hände.)
Hat dein heimatliches Land
keinen Reiz für deinen Sinn?
Wer zerriß das schöne Band,
das dich zog zur Heimat hin?
Schwebt nicht deiner Jugend Bild
durch den Traum in stiller Nacht?
Hast du niemals dankerfüllt
an das Vaterhaus gedacht?
O folge mir!
Ach du weißt nicht, wie mein Herz
voller Qualen, seit du fort.
Meine Nahrung war der Schmerz,
Trüb' erschien mir jeder Ort!
Doch kehrst du jetzt mir zurück
an die treue Vaterbrust,
dann wird uns allen Glück,
neues Leben, neue Lust.

Erhöre mich!
Kein Wort zu deinem Vater?

ALFREDO
(Plötzlich sieht er Floras Brief auf dem Tische und ruft
aus:)

Sie ist dort auf dem Feste.
Ich will mich an ihr rächen.

GERMONT
Was sagst du? Hör' mich an!
(Alfredo läuft aus dem Haus gefolgt von seinem Vater.)

Zweite Szene

Saal in Floras Palais. Reich möbliert und hell
erleuchtet. Eine Tür im Hintergrund, weitere auf jeder
Seite. Rechts im Vordergrund ein Spieltisch mit
Zubehör; links ein herrschaftlicher Tisch mit Blumen
und Erfrischungen; in der Nähe ein Sofa und Stühle.

(Flora, der Marquis und Dr. Grenvil treten ein. Ebenso
andere Gäste, sich unterhaltend.)


FLORA
Scherze sollen uns die Nacht vertreiben,
wir verdanken sie dem Grafen.
Auch Violetta und Alfredo sind eingeladen.

MARQUIS
Wißt Ihr das Neueste schon?
Violetta und Germont sind entzwei.

DOKTOR, FLORA
Sollte es wahr sein?

MARQUIS
Sie wird mit dem Baron erscheinen.

DOKTOR
Gestern sah ich sie, sie schien glücklich.
(Man hört Gelächter.)

FLORA
Schweigt! Hört Ihr's?

FLORA, DOKTOR, MARQUIS
Die Freunde nahen schon.
(Gäste, in den Masken von Zigeunern.)

ZIGEUNERINNEN
Wir sind Zigeunermädchen
aus fernem, heißem Land;
wir lesen aus der Hand
der Zukunft dunkles Wort.
Die Sterne, unsre Zeichen,
vertrau'n uns alles an.
Wir sprechen unsern Bann,
husch, sind wir wieder fort.
Laßt seh'n die Hand -

I. CHOR (lesen Flora aus der Hand)
Ihr seid, Signora, von Rivalinnen umgeben.

II. CHOR (lesen dem Marquis aus der Hand)
Und Ihr, Marquis, seid nicht der Treue höchstes Ideal.
FLORA (zum Marquis)
Was muß vom Schicksal ich erfahren?
Das fordert harte Strafe.

MARQUIS
Ihr glaubt dem dummen Spaß?
Zu Unrecht verklagen sie mich.

FLORA
Der Fuchs vergißt das Stehlen nicht,
viel eher läßt er seine Haut.
Marquis, wer Euren Worten glaubt,
der ist schon hintergangen.

ALLE
So deckt mit einem milden Schleier
des Vergessens alles Vergangene;
das Geschehene laßt in Ruh,
und die Zukunft haltet immer wert.
(Gastone und andere in der Maske von spanischen
Stierkämpfern und Piccadoren erscheinen.)

GASTONE, STIERKÄMPFER
Von Madrid sind wir gekommen,
in Paris das weltberühmte Fest zu feiern,
das dem Stiere zu Ehren wird gegeben.
Mit der Liebe sind auch wir vertraut;
wollt Ihr unser Können erproben?
Zu Diensten stehen wir Euch allen.

ANDERE
Ja, Ihr Helden, erzählt;
mit Vergnügen werden wir Euch hören.

GASTONE, STIERKÄMPFER
Nun, so höret.
's war Piquill ein munt'rer Fechter
von Biscaya, vielbekannt;
stark sein Arm, sein Mut nicht schlechter,
Meister war er überall.
Liebt ein andalusisch Mädchen,
schön wie Sonne, stolz gesinnt;
allbegehrt in ihrem Städtchen.
Sprach zu ihm das holde Kind:
„Kannst fünf Stiere du erlegen
mir in einem einz'gen Tag,
komm ich willig dir entgegen,
wie es dir gefallen mag."
„Wohl, ich bringe dir die Stiere."
Und zum Kampfplatz zog er fort;
fünf der allerstärksten Tiere
fällte seine Lanze dort.

ANDERE
Bravo, bravo, mut'ger Fechter,
solche Tat ziemt Helden nur;
sie beweist die Liebe echter
als des Wortes leerer Schwur.

GASTONE, STIERKÄMPFER
Mit des Sieges Lorbeerkrone
hoch geschmückt zog er zurück,
und empfing von ihr zum Lohne
der ersehnten Liebe Glück.

ANDERE
Leicht ist's so, nach Fechter Weise
um die stolzen Herzen frei'n.

GASTONE, STIERKÄMPFER
Hier sind Herzen weicher; leise
zieht die Schmeichelei hier ein.

ALLE
Laßt uns auch den Kampf beginnen,
fröhlich winkt uns die Arena;
laßt uns auch als Fechter lieben
auf dem glatten Parkett des Spieles.
(Die Männer demaskieren sich. Manche gehen umher,
während andere sich zum Spiel vorbereiten. Alfredo
tritt ein.)

ALLE
Ihr, Alfredo!

ALFREDO
Ja, Ihr Freunde.

FLORA
Und Violetta?

ALFREDO
Ich weiß es nicht.

ALLE
Das ist unbefangen! Bravo!
Auf, wir gehen jetzt zum Spiele.
(Gastone mischt die Karten. Alfredo und die anderen
machen ihre Einsätze. Violetta tritt am Arme des
Barons ein.)

FLORA
Ich freue mich, daß du kommst.

VIOLETTA
Du hattest mich freundlich geladen.

FLORA
Herzlichen Dank Euch, Baron, daß Ihr mir das Glück
vergönnt.

BARON
Alfredo ist hier! Seht Ihr ihn?

VIOLETTA
Himmel, es ist wahr, ich seh' ihn!

BARON
Auch nicht ein einz'ges Wörtchen
dürft Ihr an Alfredo richten.
Nicht ein Wörtchen, nicht ein einz'ges.

VIOLETTA
Warum kam ich Unglücksel'ge her!
Gnade, Gott, erbarm dich meiner.

FLORA
(zu Violetta, als sie sie auffordert, sich neben sie zu
setzen)

Setz dich zu mir und erzähle.
Was gibt es Neues?
(Dr. Grenvil nähert sich den beiden Damen, die leise
miteinander sprechen. Der Marquis verbleibt seitlich
mit dem Baron. Gastone gibt die Karten aus, während
Alfredo und die anderen ihre Einsätze machen. Weitere
Gäste gehen im Raum umher.)


ALFREDO
Ein Vierer!

GASTONE
Schon wieder gewonnen.

ALFREDO
Unglück in der Liebe bringt stets Euch Glück im Spiel.
(Er setzt und gewinnt wieder.)

ALLE
Und immer bleibt er Sieger.

ALFREDO
Ich werde stets gewinnen
und ganz mit Gold beladen
zum seligen Vergnügen
nach Hause kehren.

FLORA
Allein?

ALFREDO
Nein, mit meiner früheren Geliebten,
die mir dann entfloh.

VIOLETTA
O Himmel!

GASTONE (zu Alfredo, auf Violetta zeigend)
Schont sie doch!

BARON
(zu Alfredo, kaum seinen Zorn verhehlend)
Mein Herr!

VIOLETTA (zum Baron)
Mäßigt Euch, sonst geh' ich.

ALFREDO
Baron, Ihr rieft mich?

BARON
Ihr spielt mit soviel Glück,
daß ihr mich zum Spiel verleitet.

ALFREDO (ironisch)
Gut, der Kampf beginne!

VIOLETTA
Was hör' ich? Laßt mich sterben.
Hab' Mitleid, großer Gott, mit mir!

BARON (setzend)
Hundert setz' ich auf diese.

ALFREDO (setzend)
Und ich auf diese hundert.

GASTONE
Ein As, ein Bube, er hat gewonnen.

BARON
Ich verdoppele.

ALFREDO
Ich halte mit.

GASTONE (gebend)
Ein Vierer, ein Siebener!

ALLE
Schon wieder gewonnen.

ALFREDO
Auf meinen Sieg.
CHOR
Bravo dem Sieger.
Das Schicksal ist Alfredo wohlgesonnen.

FLORA
Die Kosten dieses Spiels hat, fürcht' ich,
der Baron allein zu tragen.

ALFREDO
So fahret fort.
EIN DIENER
Das Mahl ist zubereitet.

FLORA
Kommt, gehen wir.
CHOR (zur Tafel gehend)
Gehen wir.

VIOLETTA
(Was hör' ich? Laßt mich sterben.
Hab' Mitleid, großer Gott, mit mir!)

ALFREDO (zum Baron)
Wollt Ihr das Spiel jetzt weiterführen?

BARON
Für jetzt bin ich verhindert;
später fordere ich von Euch Revanche!

ALFREDO
In jedem Spiel, das Ihr wünscht.

BARON
Ich folge den Freunden; später...

ALFREDO
Zu Diensten steh' ich immer -

BARON
So kommt! -
(Alle gehen zur Mitteltür hinaus. Für einen Augenblick
ist die Bühne leer. Violetta kommt zurück, unglücklich.)


VIOLETTA
Ich gab ihm ein Zeichen mir zu folgen,
wird er kommen? Wird er mich hören?
Er kommt gewiß, nur möge nicht sein Haß
so furchtbar meine Stimme übertönen.

ALFREDO
Ihr befahlt mir? Was verlangt Ihr?

VIOLETTA
Daß Ihr diesen Ort verlaßt,
denn Gefahren drohen Euch.

ALFREDO
Ich verstehe. Das ist herrlich,
für so feig' haltet Ihr mich?

VIOLETTA
Nein, das nicht -

ALFREDO
Nun, was sonst?

VIOLETTA
Ich fürchte mich vor dem Baron.

ALFREDO
Wir hassen uns auf Tod und Leben.
Und fällt er einst durch meine Hand,
so raubt ein einziger Streich Euch
mit dem Geliebten den Beschützer.
Das ist es, was Ihr fürchtet?

VIOLETTA
Doch wenn Ihr unterliegt?
Das ist das Unglück, das ich fürchte,
das allein mich zittern macht!

ALFREDO
Mein Tod, was geht er Euch denn an?

VIOLETTA
Fliehet schnell von hier!

ALFREDO
Ich gehe, doch zuvor noch schwöre mir,
daß du mir folgen wirst,
wohin ich immer gehen werde.

VIOLETTA
Nein, niemals!

ALFREDO
Nein, niemals?

VIOLETTA
Geh', Unglücklicher.
Vergiß meinen verrufenen Namen.

Geh', lasse mich allein,
dich auf ewig zu fliehen tat ich einen heil'gen Schwur.

ALFREDO
Wem schwurst du? Sag wem!

VIOLETTA
Dem, der's von mir zu fordern hatte.

ALFREDO
Also, Douphol!

VIOLETTA
Ja.

ALFREDO
Und du liebst ihn?

VIOLETTA
Ihr seht's - ich lieb' ihn -

ALFREDO
(eilt zornig zur Tür und ruft:)
Ihr Freunde, hört mich!
(Alle Gäste kommen verstört in den Salon zurück.)

ALLE
Ihr habt gerufen? Was wünscht Ihr?

ALFREDO
(zeigt auf Violetta, die gedemütigt an einem Tisch
lehnt)
Kennt Ihr dieses Mädchen dort?

ALLE
Wen? Violetta?

ALFREDO
Noch wißt Ihr nicht, was sie mir antat.

VIOLETTA
O schweige.

ALLE
Nein.

ALFREDO
Alles, was diese Frau besaß,
gab sie für meine Liebe hin.
Ich Feiger, Blinder, Elender
nahm's um mein Herz zu stillen.
Noch ist es Zeit genug!
Ich werde frei sein von den Banden.
Ihr seid Zeugen, daß ich zurückgezahlt,
was ich ihr je geschuldet.
(Mit zorniger Verachtung schleudert er eine Geldbörse
vor Violettas Füße. Violetta fällt in Ohnmacht. Bei
seinen letzten Worten tritt sein Vater ein.)


ALLE
Schändliche Tat, die du begangen!
Ein armes Herz hast du so gebrochen.
Du frecher Beleid'ger der Frauen,
entferne dich, nur Schrecken erregst du!
Geh, geh, nur Schrecken erregst du!
Du frecher Beleid'ger der Frauen, usw.

GERMONT
Verachtung trifft den der sich vergißt,
den, der im Zorne ein Weib beleidigt.

Mein Sohn? Ich kenne dich nicht mehr.
Du bist nicht mehr mein Alfredo.

ALFREDO
O Gott, was tat ich!
Wut und Verzweiflung verschmähter Liebe
zerrissen das Herz mir. Kann Verzeihung
mir wohl noch werden? Nein, niemals!
Sie wollt ich fliehen, doch konnt's nicht!
Nur meine große Wut trieb mich hierher.
Da ich nun fühle, was ich verbrochen,
faßt mich der Reue Schmerz.

ALLE (zu Violetta)
O wie du leidest! Doch faß ein Herz,
ein jeder leidet mit dir hier den Schmerz.
Einzig von Freunden bist du umgeben.
Laß Tränen nicht verbittern dein Leben.

GERMONT (zu sich selbst)
Ich unter allen allein nur, ich weiß,
wie sie ihn liebet, so treu und so heiß.
Welch edler Tugend ihr Herz ist fähig,
doch das Schicksal heißt mich schweigen.

BARON (leise zu Alfredo)
Diese Kränkung, die sie erduldet,
ihr armes Herz hat dies nicht verschuldet!
Wahrlich, ich werde die Arme rächen,
für immer brechen den Stolz in Euch.

ALFREDO (beiseite)
O Himmel, was tat ich? usw.
Ach, niemals kann Verzeihung mir werden.

VIOLETTA (kommt zu sich)
Alfredo, du weißt nicht, wie ich dich liebe!
Kennst nicht des Herzens mächt'ge Triebe;
wenn du auch fluchest, nicht um Gewinn
gab meine Liebe ich dir hin.

ALLE (zu Violetta)
O wie du leidest! Doch faß ein Herz!

ALFREDO
O Himmel, was tat ich?

VIOLETTA
Die Stunde wird einst erscheinen,
wo du um mich noch wirst Tränen weinen,
wo du erkennen wirst, was ich dir war,
dann vor Verzweiflung dich Gott bewahr'.

ALFREDO
O Himmel, was tat ich?

BARON
Ich werde die Arme rächen,
für immer brechen den Stolz in Euch.

GERMONT
Welcher Tugend ihr Herz ist fähig,
doch das Schicksal heißt mich schweigen.

ALLE
O wie du leidest! Doch faß ein Herz! usw.
(Germont führt seinen Sohn hinaus, der Baron folgt
ihm. Flora und der Doktor begleiten Violetta auf ihr
Zimmer. Die anderen gehen hinaus.)


 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt

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